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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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begann mit dem Aufstieg, während Rodraeg schlaff an seinem Rücken hing wie ein menschenschwerer Umhang.
    So kamen sie immerhin bis zur siebenundsechzigsten Stufe, dann gab Eljazokad als zweiter auf. Der eher schmächtige Magier war schon seit mindestens fünf Stufen über seine Leistungsgrenze hinausgegangen und taumelte und stöhnte nur noch herum, bis er auf die Knie sank, seitlich umkippte und sich zu rühren weigerte.
    Â»Nur noch drei Stufen!« beschwor ihn Bestar. »Die siebzigste ist die letzte, ich verspreche es euch!«
    Â»Ich kann ihn nicht tragen, Bestar«, keuchte Hellas. »Das ist das Ende.«
    Â»Das ist nicht das Ende!« schrie Bestar ihn an. »Du und ich, wir können noch kämpfen!«
    Â»Aber wogegen willst du denn kämpfen?«
    Â»Gegen die Schwäche. Gegen das Aufgeben. Gegen den Tod. Ich werde nicht drei Stufen vorm Ziel mit euch verenden. Paß auf: Ich lasse dir Rodraeg hier und gehe alleine weiter. Ich hole uns Wasser und komme dann wieder zu euch.«
    Â»Ja, selbstverständlich«, spottete der Bogenschütze. »Du kletterst weiter hoch, dann wieder herunter, und dann noch mal mit Rodraeg und Eljazokad auf dem Rücken wieder hoch.«
    Â»Ja«, sagte Bestar erstaunlich ruhig. »Genau das werde ich tun. Du wartest hier und paßt auf, daß die beiden nicht aus Versehen über die Kante in die Tiefe kullern.«
    Der Klippenwälder und der Weißhaarige maßen sich mit Blicken. Schließlich bildeten sich auf Hellas’ Gesicht Anzeichen eines Lächelns. »Ich habe eine bessere Idee: Ich gehe alleine weiter und kundschafte. Du ruhst dich inzwischen aus und sammelst Kräfte, denn wenn es da oben irgendwo ein Ende gibt, mußt du Rodraeg und Eljazokad dorthinwuchten.«
    Â»Rumzusitzen und zu warten ist für mich das Letzte.«
    Â»Für mich auch. Aber wir können nicht beide gehen. Was, wenn Rodraeg in der Zwischenzeit erstickt?«
    Â»Ich kann auf ihn achtgeben«, meldete Eljazokad sich müde zu Wort. »Ich kann zwar nicht mehr weiter, aber aufpassen auf Rodraeg schaffe ich noch.«
    Â»Dann gehen wir zu zweit«, nickte Bestar befriedigt. »Das ist gut, weil dann einer den anderen am Seil sichern kann. Ihr wartet hier. Wir kommen bald zurück.«
    Sie setzten den Aufstieg fort. Ruhige, fast mechanische Bewegungen. Bestar mit Kraft, Entschlossenheit und Sorgfalt, Hellas mit Geschick, Gewandtheit und einem guten Auge für Erleichterungen, die man sich durch die Positionierung des Seiles verschaffen konnte. Bestar kletterte stets voraus und übernahm die schwierigere, weil ungesicherte Erstbesteigung, wohingegen Hellas anschließend vom Klippenwälder gesichert werden konnte, dieses Angebot aber nur bei einer einzigen Unsicherheit wahrnahm.
    Die Siebzig war nicht die letzte Stufe. Nichts änderte sich, wieder ragte die nächste Barriere eine Handspanne höher als die letzte vor ihnen auf.
    Â»Dann sind es eben siebenundsiebzig«, sagte Bestar beinahe vergnügt. »Weiter!«
    Bei der Vierundsiebzig unterlief Hellas wieder ein Fehler, bei der Fünfundsiebzig gleich zwei. Seine Hände zitterten vor Anspannung. Bestar, der ihn am Seil halten und hochziehen mußte, sah ebenfalls ausgelaugt aus. Jede der Stufen war inzwischen fünfzehn Schritte hoch – eine Steilwand für sich. Hellas entschuldigte sich für die zusätzliche Mühe, die er Bestar bereitete. »Du bist nicht in den Klippenwäldern aufgewachsen«, tröstete ihn dieser.
    Mit Müh und Not quälten sie sich die Siebenundsiebzig hinauf. Das Plateau war schmal wie immer. Vor ihnen ragte die nächste Stufe auf.
    Â»Vielleicht ist es keine Stufe, sondern ein abschließender Übergang«, stammelte Bestar, dem nun erstmals Furcht im Gesicht zu lesen stand. »Oder wir haben uns verzählt. Sind wir sicher, daß dies die Siebenundsiebzig ist? Vielleicht ist es nur die Sechsundsiebzig?«
    Â»Oder die Achtundsiebzig. Es können auch siebenhundert Stufen sein, Bestar.«
    Â»Nein, das geht nicht! Jede Stufe ist schon lange über zehn Schritte hoch. Wir können doch nicht meilenweit aufwärts gehen, ohne ins Freie zu gelangen!« Eine stürmische Sehnsucht nach Sommerwolken vor blauem Himmel und im Wind wehendem Langgras verwirrte ihn.
    Â»Was hat Eljaz gesagt? ›Es wird eine mehr sein, als wir schaffen können.‹ Wenn einer versteht, nach welchen Regeln

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