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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Bestar! Wenn du nicht zurückkommst, springe ich in die Tiefe!«
    Â»Ich komme bald. Ich verspreche es dir.«
    Als Bestar nun alleine weitermachte, fielen alle Zweifel der Welt über ihn her. Was brachte es, wenn er alleine oben ankam? Dort würde nichts sein außer einem Ausgang mit einer weiteren Prüfung dahinter. Er würde niemals die Kraft haben, alle drei Gefährten zu bergen und aufwärts zu schleppen. Niemals.
    Er nahm die Vierundachtzig, und alle Sehnen schmerzten ihm.
    Er nahm die Fünfundachtzig und wischte sich oben Salzwasser aus dem Gesicht.
    Er nahm die Sechsundachtzig, obwohl er in der Mitte des Hinaufklimmens einen Krampf bekam und vor Schmerzen beinahe schrie. Oben blieb er liegen und schlief oder verlor kurz die Besinnung. Um ihn herum war immer dasselbe graubraune, uneigentliche Dämmern, dieselben steilen Wände ohne Poren, dieselben scharfen Kanten, dieselben Treppenflächen. Einmal hörte er eine Fliege summen, aber das war vielleicht nur Einbildung.
    Er nahm die Siebenundachtzig in Angriff. Diesmal brauchte er alleine schon achtunddreißig Versuche, bis der Haken oben faßte. All diese Zählungen gellten durch Bestars Kopf. Wenn er sich verzählte, so fürchtete er, würde er sich trotz gerader Strecke verirren. Die Siebenundachtzig maß gute siebzehn Schritt an senkrechter Höhe. Während des Kletterns verspürte Bestar plötzlich einen Ruck in seinem Inneren, genau dort, wo vor lediglich zwei Monden noch der Speer eines Kruhnskriegers gesteckt hatte. Die Wunde war verschorft, vernarbt, verheilt, aber was in seinen Eingeweiden an Schäden geblieben war, konnte niemand sagen. Jetzt war etwas gerissen, was noch nicht völlig ausgeheilt gewesen war. Bestar beeilte sich mit dem Aufstieg, ruhte sich dann auf der siebenundachtzigsten Stufe erneut aus.
    Er lächelte. Er fühlte sich Rodraeg in diesen Momenten sehr nahe. Auch in ihm floß nun ungelenktes Blut. Vielleicht würde auch er es bald hervorhusten können wie einen Schwall roter Worte.
    Er mühte sich zwei Stunden, um den Haken auf die Achtundachtzig zu bekommen. Zwei weitere Stunden später war er oben.
    Für die Neunundachtzig und die Neunzig machte er sich kleine Schlaufknoten in das Seil, weil er anders nicht mehr in der Lage war, daran hinaufzuklettern. Die Schwerkraft hing an ihm mit dem Gewicht aller neunundachtzig Stufen darunter. Das Seil war scharfkantig wie ein Messer. Die Schlaufen retteten ihn, Inseln in einem Ozean aus Gift.
    Und dann passierte das Verrückteste, was ihm in seinem ganzen bisherigen Leben widerfahren war: Als er die neunzigste Stufe erklomm, fand er dort oben Eljazokad und Rodraeg, schlafend, wie Hellas und er sie auf der Siebenundsechzig zurückgelassen hatten.
    Â»Was macht ihr denn hier? Wie seid ihr …? Wie konntet ihr …? Ich bin doch nicht … abwärts geklettert?«
    Â»Bestar!« erkannte Eljazokad ihn müde, als der Klippenwälder ihn aufrüttelte. »Du bist zurück. Also gibt es ein Ende?«
    Â»Nein«, erkannte Bestar in diesem Augenblick. »Es ist endlos. Ich bin aufwärts gestiegen und unterhalb von euch angekommen.«
    Sie brauchten einige Sandstriche, um sich zu beruhigen. Rodraeg war immer noch bewußtlos, aber er atmete jetzt wenigstens ein wenig besser. Der Magier und der Schwertkämpfer hockten einander gegenüber auf dem kahlen Fels und dachten nach.
    Â»Ich glaube, wir sind einer Lösung nahe«, sagte Eljazokad. »Daß du uns wiederbegegnet bist, ist eine Art Durchbruch. Die Frage ist nun: Sind wir auf der Neunzig, oder bist du wieder auf der Siebenundsechzig? Die nächste Frage ist: Spielt das überhaupt eine Rolle? Sehen nicht alle Stufen ohnehin gleich aus, abgesehen von ihrer stetig steigenden Höhe? Die Umgegend scheint immer dieselbe zu bleiben. Möglicherweise ist das alles nur ein kompliziertes Spiel. Möglicherweise gibt es nur wenige Stufen, die wir immer und immer wieder von neuem erklimmen.«
    Â»Aber sie werden doch immer höher!«
    Â»Das gehört wahrscheinlich dazu. Aber mein Kopf droht zu zerspringen, wenn ich versuchen will, die vielen denkbaren Schlußfolgerungen zusammenzufassen. Mir fällt kein Rechensystem ein, bei dem du … dreiundzwanzig Stufen weiter als wir … wieder bei uns ankommst. Gut, vorher haben wir nie etwas auf den Plateaus zurückgelassen, so daß wir nicht überprüfen konnten, ob wir vorher

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