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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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hier gespielt wird, dann er.«
    Â»Nein. Wir müssen es schaffen können«, beharrte Bestar. »Dies ist eine Prüfung, kein Todesurteil. Also kann es höchstens eine mehr sein, als wir glauben, schaffen zu können. Es sind achtundsiebzig! Es sind achtundsiebzig, Hellas! Komm, gleich haben wir’s geschafft!«
    Sie erklommen die achtundsiebzigste Stufe. Kein Ausgang. Nur ein weiteres Plateau. Eine weitere Stufe.
    Â»Ich kann nicht mehr«, ächzte Hellas. »Ich habe Angst abzustürzen und zu zerschmettern. Außerdem sind wir jetzt schon … elf Stufen von den anderen entfernt. Vielleicht ist Rodraeg inzwischen bereits gestorben.«
    Â»Nein!« Bestar begann jede seiner Äußerungen jetzt mit einem Nein. »Niemand wird hier sterben! Es sind … hundert Stufen. Das schaffen wir.«
    Â»Du schaffst das vielleicht, aber sonst keiner von uns. Und was willst du machen, wenn du oben bist? Wieder runterklettern bis zur Siebenundsechzig und uns alle dreiunddreißig Stufen aufwärts tragen? Sieh doch ein, daß das Wahnsinn ist!«
    Â»Wahnsinn ist, einfach aufzugeben. So lange ich noch atmen und mich rühren kann, werde ich mich nicht hinlegen und sagen: Das war’s.«
    Â»Vielleicht«, zermarterte der Bogenschütze sich das Gehirn, »ist alles ja auch ganz anders gemeint. Die Stimme sagte ݆berwindet eure Körper‹ und ›Stellt euch eurer größten Furcht‹. Vielleicht müssen wir einfach springen, und die Fliegen werden uns auffangen und tragen.«
    Bestar sah Hellas an und fing dann an zu lachen. »Das hast du schon beim ersten Mal nicht geglaubt. Jetzt plötzlich glaubst du an so was?«
    Â»Na ja. Nicht so richtig.«
    Â»Ich auch nicht. Dies ist die Körperprüfung. Die Riesen wollen sehen …« Bestar dämmerten Zusammenhänge. Es fiel ihm nicht leicht, seine Gedankengänge in Worte zu bändigen, aber er versuchte es. »Die Riesen wollen sichergehen, daß wir zu Riesen geworden sind. Sie haben uns zu Riesen gemacht durch diese … Lebenslaufgeschichte, aber jetzt … jetzt werden die Stufen immer höher, damit wir immer kleiner werden. Verstehst du? Einem echten Riesen würden diese Stufen nichts ausmachen. Man muß ein Riese sein, um das Zepter tragen zu können.«
    Â»Ein Riese hätte das Gefühl, daß die Stufen immer niedriger werden?« ergänzte Hellas, aber mit deutlichem Zweifel in Stimme und Gesicht.
    Â»Ja. Kann doch sein, oder? Bisher war doch auch alles in unseren Köpfen.«
    Â»Aber dies ist die Körperprüfung. Hast du selbst gesagt. Und nicht alles ist hier Kopfsache: die Schlucht mit den Fleischfliegen zum Beispiel auch nicht.«
    Â»War sie doch, irgendwie. Nur wenn man vertraute, wurde man getragen.«
    Â»Dann vertraue, Bestar. Vertraue, bis du blau anläufst. Ich jedenfalls halte das alles für ausgemachten Schwachsinn. Die Riesen wollen, daß wir ihnen einen Gefallen tun, und dann foltern sie uns hier drinnen langsam zu Tode. Oder lassen uns durchdrehen und Schmeißfliegen vertrauen, was alles auf dasselbe hinausläuft: Man hält uns zum Narren, und das schmeckt mir gar nicht.«
    Â»Dann warte hier. Ich versuche weiterzumachen. Vielleicht finde ich etwas heraus.«
    Hellas knurrte und wand sich unbehaglich. »Laß mich bloß nicht hier allein! Ich komme mit!«
    Sie schafften noch vier weitere Stufen, bei denen Bestar – auch wenn er sich noch so sehr darauf konzentrierte – nicht das Gefühl hatte, daß er ein Riese war und die Stufen vor ihm schrumpften. Dann passierte das, was sich schon seit längerem angekündigt hatte: Hellas stürzte ab und konnte sich nicht mehr fangen. Bestar hielt am Seil, was seine Muskeln hergaben, aber bei fünfzehn Schritten Seillänge war Hellas’ Körpergewicht schon beträchtlich erhöht, und das Seil rutschte Bestar durch die schweißigen Hände. Der Bogenschütze prallte mit einem Aufschrei hart auf den Absatz der zweiundachtzigsten Stufe und blieb jammernd liegen.
    Â»Alles klar?« fragte Bestar besorgt. Hellas lag so weit unter ihm, daß er im grauen Dämmern kaum zu erkennen war.
    Â»Mein Bein …«, schnaufte der Bogenschütze. »Umgeknickt. Vielleicht angebrochen. Tut verflucht weh.«
    Â»Scheiße. Du mußt auf mich warten wie die anderen. Ich komme zurück.«
    Â»Laß mich nicht hier verrecken,

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