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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Die Höhle wollte uns erst kennenlernen, dann wollte sie, daß wir die Riesen kennenlernen, nun wird sie uns prüfen und uns dabei auch belehren. Bislang ist uns nichts angetan worden. Wir wurden lediglich mit neuen Blickwinkeln bereichert. Ich sehe also keinen Grund, feindselig zu sein. Gehen wir weiter und nehmen an Eindrücken mit, was sich uns bietet.«
    Â»Aber ich habe keine Lust, mich meiner größten Furcht zu stellen«, haderte der Bogenschütze weiter. »Was soll das alles? Ich kenne meine größte Furcht! Macht es mich zu einem besseren Zepterüberbringer, wenn ich vor Angst schlottern muß? Es ist doch klar, was jetzt kommt. Die Höhle kennt keine Gnade und kein … Taktgefühl.«
    Â»Wie kommst du denn darauf?« fragte ihn Eljazokad.
    Â»Weil sie in unseren Köpfen ist. Innen drin, wo niemand etwas zu suchen hat«, antwortete Hellas, und sein Gesichtsausdruck war auf eine äußerst eindringliche Weise verzweifelt.

    in den höhen
    Es gab keinen anderen Weg. Rodraeg duldete kein Umkehren. Energisch schritt er voran, und als jetzt die Strapazen begannen, weigerte er sich lange, sich den Grenzen seiner eigenen Leistungsfähigkeit zu unterwerfen.
    Sie mußten klettern, auf immer höher werdende, offensichtlich von Riesenhand gehauene Stufen. Die erste war nur eine Handspanne hoch, so daß sie sie im schummrigen Licht übersahen und über sie stolperten. Die zweite maß schon zwei Handspannen, und so ging es immer weiter. Ab der vierten Stufe mußten sie die Hände zum Hochziehen benutzen, ab der zwölften Stufe mußten sie mit Kletterhaken und Seil arbeiten. Hellas warf die Haken, Bestar zurrte sie im glatten, schwarzen Gestein so fest wie möglich und kletterte als erster hoch. Dann konnte er Rodraeg und Eljazokad hinaufhelfen, während Hellas meist als letzter und meist aus eigener Kraft aufenterte.
    Nach Stufe Neunzehn waren sie alle schweißgebadet. Eigentümlich warm war es mitten in diesem Berg. Ab und zu roch es nach Wasserdampf, oder ein Strom rauschte hinter der Felswand. Rodraeg röchelte und hustete, schaufelte alle Mittelchen, die er noch bei sich führte, in sich hinein wie ein Verhungernder, und sah dennoch von Stufe zu Stufe elender aus. Bestar war der einzige von ihnen, dem diese urtümliche Kletterpartie regelrecht Spaß machte.
    Auf Stufe Zweiundzwanzig angekommen, rasteten sie erstmals. Die Treppenabsätze waren stets gleich groß, gönnten den Kletternden nur knapp bemessene anderthalb Schritt Fläche auf einer Breite von etwa fünf Schritten. Sie waren froh über die Trinkwasservorräte, die sie mit sich führten, und machten zur Erfrischung ausgiebig davon Gebrauch. Weiter ging es. Dreiundzwanzig. Siebenundzwanzig. Zweiunddreißig. Hier war bereits eine zweite, längere Ruhepause vonnöten. Sie wollten nicht mehr, alle Gliedmaßen und Gelenke schmerzten vor Überbeanspruchung. Rodraeg scheuchte sie wieder hoch. Sie nahmen die Dreiunddreißig und die Vierunddreißig. Bei der Fünfunddreißig rutschte Bestar das Seil aus den schweißnassen Händen, und der daran hängende Eljazokad schlug schmerzhaft auf die Vierunddreißig zurück. Er rollte sogar beinahe über die Kante zur Dreiunddreißig und konnte sich gerade noch festhalten. Ein Sturz auf den harten Stein der mehr als sechs Schritte darunterliegenden Dreiunddreißig hätte wahrscheinlich sein Ende bedeutet. Der junge Magier konnte nicht mehr weiter. So kletterten die anderen zu ihm auf die Vierunddreißig zurück, und Rodraeg willigte ein, daß sie alle ein paar Stunden schlafen sollten. Hier drinnen gab es ohnehin keinen Tag mehr und keine Nacht. Ab und zu hatten sie ihre Laternen gebraucht, dann wiederum waren die Wände mit phosphoreszierenden Flechten übersät gewesen, so daß das Mammut als vier spinnengleiche Schatten unter Schatten klettern konnte.
    Sie schliefen, ohne Wachen aufzustellen. Im Schlaf drängten sich die Sorgen nach vorne: Was, wenn die Stufen niemals endeten – oder höher wurden, als ihre paar Seile noch reichen konnten? Was, wenn es immer heißer wurde? Wenn ihr Wasser und ihre Vorräte zur Neige gingen? Wenn Rodraegs Husten ihn umbrachte, bevor sie den absurden unterirdischen Gipfel erreichten, auf den sie hinzuarbeiten schienen?
    Nach fünf oder sechs Stunden unruhigen Schlafes kämpften sie sich wieder auf die Füße und fuhren fort

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