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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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noch mehrmals.« Cajin senkte den Blick. Dann schaute er fragend zu Naenn hinüber, die ihm zunickte.
    Â»Er nannte mich«, ergänzte sie, »eine Raupenhexe. Das ist ein gemeines Schimpfwort für Schmetterlingsfrauen. Es gibt Leute, die denken, wir schlafen in stinkenden Kokons, die unter der Zimmerdecke hängen, und wir fressen uns durch Männerfleisch wie die Raupen mancher Schmetterlinge durch Salatblätter.«
    Â»Die ganze Sache wurde von den Gardisten aufgeschrieben«, übernahm Cajin wieder die Erzählung. »Am folgenden Tag wurden wir zu Gauden Endreasis zitiert, dem Gardekommandanten von Warchaim. Ich wunderte mich anfangs sehr, warum solch eine unbeträchtliche Angelegenheit vor dem Stadthauptmann persönlich landet, aber ich wunderte mich nicht mehr, als die Identität des Dolchträgers aus den Akten verlesen wurde. Sein Name ist Cenrud Barsen. Einer der beiden Söhne von Yoich Barsen, dem wohlhabendsten Händler Warchaims und Stadtratsmitglied.«
    Â»O nein«, ächzte Rodraeg. »Und der andere, der Feigling, war Sohn Nummer zwei.«
    Â»Nein. Der andere Sohn war nicht verwickelt in die Sache. Der Feigling, der letzten Endes wohl den Stein geworfen hatte, heißt Velse Edelthy und ist nichts weiter als ein Saufkumpan von Cenrud Barsen. Jedenfalls war Gauden Endreasis ziemlich schnell auf unserer Seite, zumal die beiden als Grund für ihre Tat lediglich angeben konnten, Schmetterlingsmenschen und alle anderen Völker, die ihnen nicht ›normal‹ genug sind, zu verabscheuen. Sie wollen nicht, daß ›so welche‹ in ihrem sauberen Warchaim leben. Endreasis bezeichnete sie als eine Schande für die ganze Stadt und verdonnerte jeden von ihnen zur Zahlung von fünfzig Talern Strafe an das Haus des Mammuts. Gefährlich wurde das Ganze nur, als er uns plötzlich ganz nebenbei fragte, was wir eigentlich machen und was das Tier an unserer Haustür zu bedeuten hat. Ich druckste herum und sagte in etwa dasselbe, was Rodraeg damals dem Bürgermeister Tommsen gesagt hat: Wir bearbeiten rätselhafte Naturvorkommnisse. Aber Naenn setzte noch einen drauf. Sie erzählte, wir forschen auch nach ausgestorbenen Tierarten, deshalb das Mammut als Symbol. Sie hat sogar gesagt, falls die Garde von Warchaim einmal ein Problem haben sollte, bei dem sie nicht weiterkommt, könnte sie sich ruhig an das Mammut wenden, wir kämen ziemlich viel herum und trügen eine Menge Wissen zusammen.«
    Â»Raffiniert«, lobte Rodraeg. Auch Eljazokad schmunzelte.
    Â»So ging die ganze Sache aus«, fuhr Cajin fort. »Der Vorfall ist aktenkundig, und uns stehen noch zwei Entschädigungszahlungen zu. Da das aber dauern kann, will ich schon vorher Geld verdienen. Das Haus sieht mir zu verwahrlost aus mit der zerborstenen Scheibe.«
    Alle schwiegen und ließen die Geschichte auf sich wirken. Hellas sagte als erster wieder etwas: »Sieh mal an. Das ruhige, beschauliche Warchaim.« Seine Mütze hatte er sich in die Hosentasche gesteckt.
    Naenn nickte düster. »Ja. Man wirft mit Steinen nach mir. Selbstverständlich sind das nur einzelne Verwirrte, aber dennoch fühle ich mich hier nicht mehr so wohl wie vorher. Auf eurer nächsten Reise möchte ich gerne mitkommen.«
    Rodraeg wand sich unbehaglich auf dem Stuhl. »Das sollten wir besser ein andermal besprechen …«
    Â»Nein«, beharrte sie, »ich denke, wir können das gleich hier klären. Der Grund, weshalb ich bei der Wandrymission nicht mitgekommen bin, ist, daß ich schwanger bin. Im vierten Mond. Wir Schmetterlingsmenschen gebären nach sieben Monden, und im fünften Mond werden wir dick. Es ist also noch nicht soweit. Die durchschnittliche Dauer einer Mission dürfte wohl bei einem bis anderthalb Monden liegen – eine Mission kann ich noch schaffen, danach geht es fürs erste nicht mehr. Zerbrecht euch nicht die Köpfe, wer der Vater sein könnte: Ihr kennt ihn nicht. Es ist passiert, bevor das Haus des Mammuts gegründet wurde. Und – damit wollte ich warten, bis wir uns gegenseitig alles andere erzählt haben: Hier ist der nächste Auftragsbrief. Er wurde vor sechs Tagen von einem Kurier gebracht. Ich habe ihn geöffnet, für den Fall, daß darin etwas sehr Dringliches steht, aber das scheint nicht so zu sein. Es ist keine Frist genannt. Aber es klingt sehr geheimnisvoll, und ich werde auf jeden Fall

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