Das vergessene Zepter
Zepter in seinen Händen schöne Augen machte. Hellas legte sich einmal mit der Ritterin an, als er behauptete, die Bogenschützin Bhanu habe ihre Trefferfähigkeiten doch höchstens dem Glück zu verdanken, das überall und immer eine schützende Hand über Kinder halte. Jeron bemühte sich nach Kräften, seiner Ritterin zu imponieren, doch Rodraeg konnte einmal nach der Morgenmahlzeit beobachten, wie diese mit Seraikella hinter ein paar Büschen verschwand. Er verspürte eine kurze, fast närrisch zu nennende Eifersucht, aber dann konzentrierte er sich wieder auf das Naheliegende: Er dachte an Naenn und ihren sich stetig wölbenden Bauch, er dachte an Cajin und wie er versuchen würde, der Schwangeren jeden Wunsch zu erfüllen. Und er vermiÃte und sorgte sich um Bestar, der womöglich im Wildbart mit Haarjägern zu kämpfen hatte. Ein anderer Grund, weshalb die Riesen ihn nach dort geholt haben mochten, fiel Rodraeg nicht ein.
In der Nacht auf den 27. Feuermond wurde Rodraeg unsanft von Hellas geweckt. »Verfluchter Mist, Rodraeg, wir haben das Zepter verloren!«
»Das Zepter? Was denn? Wie denn?«
Eljazokad lag neben ihnen im Gras und schlief. Für einen Moment fürchtete Rodraeg, die Bande der Ritterin hätte sich mit dem Zepter aus dem Staub gemacht, doch dann sah er auch Seraikella und Bhanu Hedji im Kreis liegen. Auch sie schienen zu schlafen wie Eljazokad, doch dann begriff Rodraeg, daà die drei ohnmächtig waren.
»Was ist denn bloà passiert?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich habe geschlafen wie du. Aber der Tätowierte und das Kindchen haben Wache gehalten und liegen jetzt hier. Jeron hat mich geweckt und mir gesagt, daà sie den Dieb verfolgen. Dann sah ich noch die Ritterin davonreiten. Und Eljaz hat das Zepter nicht mehr.«
Rodraeg spürte, wie die Nacht sich um ihn fester zusammenzog. »Ist Jeg Obery uns gefolgt, was meinst du?«
»Niemals. Irgend jemand hat unsere beiden Wächter ausgeschaltet, das war nie und nimmer dieser Blumenstutzer.«
»Die Fliegen?«
»Hätten wir die nicht gehört?«
Zähneknirschend machte Rodraeg sich daran, Eljazokad aufzuwecken. Er besaà immer noch Nerassâ AlgensalzfäÃchen, das leistete jetzt gute Dienste. Der junge Magier öffnete mit flatternden Lidern die Augen. Rodraeg lieà ihm kaum Zeit, zu sich zu kommen. »Das Zepter!« beschwor er ihn eindringlich. »Kannst du spüren, wo es sich befindet?«
»Ich ⦠ich ⦠ich ⦠habe keine Magie mehr, Rodraeg.«
»Das spielt keine Rolle. Das Zepter hat genug Magie. Kannst du es spüren?«
Eljazokad wand sich verzweifelt. »Ich ⦠habe ⦠keine ⦠Magie ⦠mehr.«
»Hör mir zu«, lieà Rodraeg nicht locker. »Es spielt keine Rolle, was du hast oder kannst. Glaubst du, Jeg Obery war ein Magier? Glaubst du, die sechs Bittsteller vom Höhlentor waren Magier? Keiner von ihnen! Aber alle waren wie versessen auf das Zepter. Sie konnten es spüren, etwas spüren, etwas, das ihnen ein Versprechen machte. Wahrscheinlich könnten auch Hellas und ich das Zepter jetzt spüren, wenn wir nur die Zeit hätten, uns genügend zu konzentrieren, aber es muà leider schnell gehen, und du bist unsere naheliegendste Wahl, wenn es darum geht, etwas Magisches zu orten.«
»Jja«, stammelte Eljazokad, zuerst ungläubig, dann sicherer werdend. »Es bewegt sich. Nicht weit von hier. Dort drüben.«
»Kannst du laufen?«
»Ich werde es versuchen.«
»Dann kommt. Jetzt werden wir der Ritterin mal zeigen, warum wir das Mammut heiÃen und nicht ⦠die Schimmelstute.«
Sie rannten los in die Nacht, Rodraeg mit gezogenem Schwert und seinem Rucksack auf dem Rücken, Hellas mit schuÃbereitem Bogen. Die Situation war nicht unähnlich der Nacht auf Harpas Hof, wo sie ebenfalls zu dritt gewesen waren, aber diesmal hetzten keine Wölfe durchs warme Dunkel und keine Tiermenschen hielten Kinder in ihren Klauen. Diesmal sprengte irgendwo dort vorne eine zornige Ritterin über Wiesen, ein Degenfechter irrte umher, und das wertvolle Zepter der Riesen wurde von einem Unbekannten entführt, der Wächter und Behüter sanft in Schlaf versetzen konnte.
Eljazokad bremste sie ein wenig. Er war immer noch benommen, konnte aber nicht sagen, was ihn eigentlich betäubt hatte. Einmal hörten sie die Ritterin linker
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