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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Vergessens abtauchen zu können?
    Rosafarben wie ein speziell gekelterter Wein begann der 27. Feuermond. Auch dieser Tag blieb nicht ohne Schwierigkeiten.
    Etwa der zwanzigste Händler, der ihnen auf der Landstraße entgegenkam, drehte vollkommen durch und versuchte, sie mit seinem eigentlich lächerlichen, von zwei Maultieren gezogenen Karren zu überfahren. Dreimal, viermal, fünfmal wendete er immer wieder und nahm neuen Anlauf auf Eljazokad und das Zepter, bis die Ritterin schließlich ihre Lanze auflegte und den Händler nach einem kurzen Anritt dermaßen hart vom Kutschbock rammte, daß er mit verdrehten Gliedern im Straßengraben liegenblieb. Anschließend wandte sie sich wieder wutschnaubend an Rodraeg. »Jetzt reicht es mir. Dieses Zepter zu bewachen ist ja schlimmer, als einen wilden Stier freihändig über Brombeerhecken zu reiten. Was kommt denn als nächstes? Reisigsammelnde Muttchen, die als heulende Meute auf uns eindreschen? Zwergkaninchen, die ihre Nagezähne in unsere Waden schlagen? Wir nehmen uns jetzt den Karren dieses närrischen, kläglichen Mannes und werden damit doppelt so schnell sein wie bisher, und ich will keinen mitfühlenden Vortrag über diesen Spinner und seine Möglichkeit zum Broterwerb hören!«
    Â»Ich stimme dir zu«, sagte Rodraeg.
    Â»Wie – du stimmst mir zu? Einfach so? Kein Zetern, kein Predigen, kein hingebungsvolles Ausbessern meiner schartigen Seele?«
    Â»Nein, ich stimme dir zu. Er hat uns angegriffen. Daß ihr ihn nicht getötet habt, bedeutet schon Glück genug für ihn. Außerdem – wenn wir doppelt so schnell vorankommen, werden wir nur halb so viele Tage bis zum Wildbart brauchen und nur halb so vielen Reisenden Gelegenheit geben, irgendwelche gegen uns gerichteten Dummheiten anzustellen.«
    Â»Das hast du gut erkannt. Die Ritterin nimmt nun also diesen Wagen samt Zugtieren in Besitz, und das Mammut ist herzlich eingeladen, mitzufahren.«
    Stumm übernahm Seraikella die Zügel, während Eljazokad und Rodraeg sich noch um den Händler kümmerten. Er hatte Schürfwunden, Blutergüsse und Prellungen, und möglicherweise war sein linker Arm gebrochen. Aber wenn sie ihn deutlich sichtbar an den Straßenrand betteten, würde er von anderen Händlern gefunden und zur nächsten Ortschaft mitgenommen werden.
    Rodraeg überlegte hin und her, dann zückte er ein Pergament und notierte darauf:
    Ihr habt uns angegriffen, wir handelten in Notwehr. Euren Wagen haben wir nicht gestohlen, sondern ebenfalls in Notwehr ausgeliehen. In spätestens einem Mond werden wir ihn über einen Mittelsmann in Rigurds Stall in Warchaim abstellen lassen. Seht bitte davon ab, uns gardistische Unannehmlichkeiten zu bereiten, andernfalls sähen wir uns gezwungen, Euch wegen Eures Angriffes anzuzeigen.
    Mit aller gebührenden Hochachtung:
sieben Reisende
    Den Zettel steckte Rodraeg dem besinnungslosen Händler vorne ins Hemd. Dann beeilten sich er und Eljazokad, auf den Wagen zu kommen. Zwar gebärdeten sich die beiden Maultiere besonders am ersten Tag noch sehr störrisch, aber sie folgten immer der Schimmelstute, wenn die Ritterin vor ihnen hertänzelte.
    Auf der mit gelblichen Rosenkohlblättern übersäten Ladefläche versank Rodraeg in tiefe Grübelei. Das Mammut hatte nun eine bedeutsame Grenze überschritten: die Aneignung fremden Eigentums zum Zwecke der Erfüllung eines Auftrages. Aber mehr als jemals zuvor glaubte Rodraeg seit seiner Heilung an Riban Leribin und die Weisheit seiner Planungen. Dieses Zepter war wichtig. Dieses Zepter war gefährlich. Es verwandelte harmlose Stubenfliegen in zähnefletschende Fleischfliegen. Je kürzer die Reisedauer, desto weniger Blut würde unterwegs vergossen werden.
    Mit dem Karren kamen sie tatsächlich doppelt so schnell vorwärts wie ohne. Seraikella und Bhanu wechselten sich auf dem Kutschbock ab, Rodraeg, Eljazokad, Hellas und Jeron saßen oder lagen sogar auf der kleinen Ladefläche oder ließen nach hinten die Beine baumeln und sich von der Sonne bescheinen. Die Ritterin ritt nebenher, vorneweg oder als Späherin seitlich über Hügelkuppen, denn sie waren mit dem Wagen auf die Straße angewiesen und wollten argwöhnischen Gardistentrupps nur dann ausweichen, wenn diese die Uniform Tyrngans trugen – einer Gegend also, in der die Bande der Ritterin bereits bekannt und

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