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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Notfall behalten, alles andere gab er auf dem Markt für Proviant aus. Selbst wenn sie sparsam damit umgingen, würden sieben Menschen höchstens eine Woche davon satt werden, aber Hellas und Bhanu Hedji konnten unterwegs auf die Jagd gehen.
    Mit einem großen Proviantpaket auf den Schultern verließ Rodraeg Tyrngan, und er freute sich über seine wiedergewonnene Kraft, über die Möglichkeiten, die ein ungehindertes Atmen ihm eröffnete, und über den Sommer, seine Farben und die Vögel, die überall herumflatterten und so aufgeregt zwitscherten, als gäbe es kein Morgen mehr. Aber es gab ein Morgen. Es gab jetzt wieder ein Morgen.
    Sie wanderten südwärts, die Ritterin ritt ihnen funkelnd voran wie ein mürrischer Leitstern. Wer ihnen begegnete, hatte gefälligst zu staunen. Auch so konnte man sich einen Namen machen.
    Sie nahmen nicht den Weg nach Somnicke, sondern hielten sich eher östlich am Larnrand. In der dritten Nacht hinter Tyrngan hörten diejenigen, die Wache hielten – Seraikella, Jeron und Rodraeg – ein erst leises, dann immer näher kommendes Summen. Rodraeg schwante Übles, also ließ er alle Schlafenden wecken. Auch der Schimmel der Ritterin war unruhig und zerrte an dem Seil, das ihn in der Nähe eines Baumes hielt. Die sieben hatten gerade begonnen, sich mit dem Pferd behutsam vom Lager fortzubewegen, als aus dem Dunkel der Nacht ein großer Schwarm Fleischfliegen über sie herfiel. Bhanu schrie vor Entsetzen und wischte sich gebißbewehrte Flügeltiere aus Gesicht und Haaren, Seraikella brachte das Kunststück fertig, mit seinem Breitschwert Fliegen aus der Luft zu klatschen.
    Â»In den Wald!« rief Rodraeg. »Wir müssen irgendwo Dekkung finden, sonst fressen die uns bei lebendigem Leibe auf!«
    Tatsächlich waren die vogelgroßen Raubinsekten äußerst angriffslustig. Eljazokad, der noch kurz den Versuch unternommen hatte, mit dem Zepter in der Hand einfach stehen zu bleiben und den Fliegen wie vor dem Höhlenabgrund Vertrauen entgegenzubringen, trug etliche fingerabdruckförmige Bißwunden davon und spurtete schließlich noch an allen anderen vorbei in den Larn.
    Der große alte Wald begann von einem Schritt zum nächsten. In der Dunkelheit war sein Boden mit Stolperfallen und Fallstricken übersät. Die Ritterin, die ihr Pferd hinter sich führte, schlug metallscheppernd der Länge nach hin, rappelte sich aber wieder auf und lief so stolz wie möglich weiter. Auch Eljazokad strauchelte, fing sich jedoch ab, indem er sich auf das Zepter stützte. Rodraeg hatte den Eindruck, daß in diesem Augenblick blaue Funken aus dem Zepter stoben, aber er war zu sehr mit Rennen und Springen beschäftigt, um genauer hinzusehen.
    Die Fliegen blieben zurück. Einige hingen noch wie flügelschlagende Blutegel am Hinterteil des Pferdes. Die Ritterin und Jeron klaubten sie herunter. Seraikella, der die Nachhut gebildet hatte und mit dem Schwert so manche Fleischfliege aus der Luft gedroschen hatte, stand abwartend da. Auch nach drei Tagen gemeinsamer Reise war Rodraeg sich immer noch nicht im klaren darüber, ob der tätowierte Hüne stumm war oder einfach nie redete. Bhanu Hedji hatte immerhin vier oder fünf Worte gesprochen in den letzten Tagen, und ihre Stimme war leise und rauh gewesen.
    Â»Das war noch nicht alles«, schnaufte Eljazokad. »Sie sammeln sich.«
    Â»Dieses Kleinvieh geht mir auf die Nerven«, zischte Hellas, der seinen Bogen und seinen Degen gleichzeitig in Händen hielt.
    Â»Wir graben uns ein. Los!« rief Rodraeg, einer plötzlichen Eingebung folgend.
    Â»Ich kann meine Stute nicht eingraben«, widersprach ihm die Ritterin.
    Â»Dann bleib neben ihr stehen und stirb«, sagte Rodraeg hart und begann, mit seinem Anderthalbhänder den trockenen Waldboden aufzuharken.
    Die Gruppe teilte sich jetzt tatsächlich in zwei Hälften. Rodraeg, Hellas und Bhanu gruben sich ein. Die Ritterin blieb neben ihrem Pferd stehen, Jeron und Seraikella wichen nicht von ihrer Seite, und auch Eljazokad sagte: »Das bringt nichts mit dem Eingraben. Die Fliegen können uns tagelang belagern. Wir müssen ein Ergebnis erzielen.«
    Â»Dann erziele ein Ergebnis, aber wir graben uns trotzdem vorsichtshalber ein«, sagte Hellas, der mit gleich zwei Wurfmessern im Erdreich wühlte. Das dritte hatte er Bhanu geliehen.
    Um sie her brummte das Dunkel. Die wenigen

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