Das vergessene Zepter
Richtung, die am schnellsten wieder hinausführte, anzudeuten. Schweigsam führte er die anderen aus dem Wald, und dort, am Rand der pilzbewachsenen Bäume, schlugen sie dann ein neues Nachtlager auf.
Der 22. und 23. Feuermond blieben ereignislos. Die Siebenergruppe mit dem Zepter der Riesen bewegte sich weiter Richtung Südosten am Larnwald entlang. Mehrmals verlieÃen sie die StraÃe, um durch baumbestandenes oder hügelig unwegsameres Gelände abzukürzen, oder auch einfach, um gröÃeren auf der StraÃe befindlichen Reise-, Handels- oder Gardistengruppen auszuweichen. Hellas schoà ein paar Hasen, die ihm leichtsinnig vor den Bogen hoppelten. Bhanu begann sich für Eljazokad zu interessieren und tanzte viel um ihn herum.
Am 24. gewann auch die Ritterin einen hartnäckigen Verehrer. Der junge Mann nannte sich Jeg Obery. Er war ihnen zu Fuà entgegengekommen, ein Wanderer mit einem Stab, einem Messer im Gürtel und einem Reiseranzen über dem farbenfrohen Hemd, und er lieà sich nicht abschütteln, auch nicht durch Seraikella oder Hellas. Er pflückte Wegesrandblumen und schenkte sie der Ritterin, und die gab sie ihrer Stute zu fressen. Er sang eine tieftraurige Ballade, während die anderen im Schatten eines Baumes in der Mittagsglut dösten. Er machte Komplimente und trug Anträge vor, wurde vertrieben und beschimpft, aber er tauchte immer wieder auf. Am 25. Feuermond nahm ihn schon niemand mehr richtig wahr, und das nutzte Jeg Obery dann zum Handeln. Mit einem plötzlichen, völlig unerwarteten Vorstoà griff er nach dem von Jerons Schlafdecke verhüllten Zepter und lieà sich auf ein peinliches Gezerre mit Eljazokad ein, der den Stab nicht aus den Händen gab. Oberys Gesicht war zu einer roten Fratze geworden, als er an dem Zepter zog und riÃ. Die Ritterin drosch ihm schlieÃlich von hinten ihre Lanze über den Schädel. Sie betteten den Besinnungslosen unter das ausladende Laubdach einer Linde, damit er keinen Sonnenstich bekam, und zogen unbehelligt weiter. Die Ritterin hatte ihm noch eine welke Blume auf die Brust gelegt.
Selbstsicherheit und Zweifel lösten sich bei Rodraeg fortwährend ab. Jeg Obery war letzten Endes nur auf das Zepter aus gewesen, obwohl es vor neugierigen Augen verborgen gewesen war. Aber auch Jeg Obery hatte keine wirkliche Gefahr dargestellt. Es war, als ob der Fliegenstab nur Fliegen anzog, keine Wespen, Hornissen oder Adler. Andererseits war der Himmel so weit und unermeÃlich â wer wollte sich anmaÃen zu wissen, was bei einer beinahe vollständigen Durchquerung des Kontinents von West nach Ost noch alles an Fährnissen auftauchen mochte?
Rodraeg dachte auch viel über die Ritterin und ihr Gefolge nach. So richtig warm wurde er mit den Vieren nicht, sie wirkten ihm zu skrupellos, zu uninteressiert an dem, was zwischen Menschen und Riesen tatsächlich von Bedeutung war. Schon öfters, in Stunden der Unsicherheit, hatte Rodraeg über sein Mammut nachgegrübelt, darüber, wie wenig er von Bestar, Hellas und Eljazokad gewuÃt hatte, als er sie einlud, Teil seines Lebens zu werden. Aber entweder hatte er bei ihnen einfach Glück gehabt, oder die Auswahlkriterien waren doch ausreichend abschreckend für Ungeeignete gewesen. Er konnte sehr zufrieden sein mit seiner kleinen Truppe, und er verspürte absolut keine Zufriedenheit, wenn er Jeron, Seraikella, Bhanu oder die hochmütige Reiterin betrachtete.
Dann, am Ende einer solchen Nachdenklichkeit, kam ihm noch ein anderer, ungewöhnlicherer Einfall: Vielleicht war es das Zepter, das ihn dazu brachte, den vier neuen Begleitern so nachhaltig zu miÃtrauen. Vielleicht verwandelte das Zepter auch ihn schleichend in einen Jeg Obery. Von diesem Gedanken ausgehend, beschloà Rodraeg, immer dann, wenn er unzufrieden war mit dem, was die Ritterin oder einer ihrer Leute tat oder sagte, ganz besonders freundlich zu sein.
Zwei weitere Tage verstrichen ohne besondere Vorkommnisse. Das Wetter war gleichbleibend heiÃ, die Ritterin schwitzte unter ihren aufgeheizten Metallrüstungsteilen, weigerte sich jedoch, in etwas weniger Auffälliges zu schlüpfen. Die Stimmung in der Gruppe war weiterhin von einer schleichenden Feindseligkeit geprägt. Eljazokad verscheuchte Bhanu, weil sie erstens viel zu jung war für ein derartiges Abenteuer, und weil er sich zweitens nie ganz sicher sein konnte, ob sie eigentlich ihm oder dem
Weitere Kostenlose Bücher