Das Verhaengnis Thriller
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Suzy hatte recht, dachte Kristin, als sie losfuhr. Es geschahen Dinge, mit denen man nicht rechnen und die man nicht vorausplanen konnte. Wer hätte geahnt, dass zwei einsame Mädchen in einem Heim gleichgültiger Jugendfürsorge sich nicht nur verlieben, sondern auch eine Bindung eingehen würden, die stärker war als jede ihrer anderen späteren Beziehungen. Eine Liebe, die Getrenntsein und Entfernung, Ehemänner und Liebhaber, Enttäuschung und Desillusionierung, Zeit und Umstände überdauern sollte?
Dass sie einander überhaupt wiederbegegnet waren, war an sich schon ein Wunder. Suzy war mit ihrem gewalttätigen Ehemann gerade nach Coral Gables gezogen. Verzweifelt und einsam hatte sie im Internet nach Kristin gesucht und herausgefunden, dass sie in einer Bar namens Wild Zone in South Beach arbeitete. Als Dave im Krankenhaus war, war sie eines Nachmittags vorbeigefahren, unsicher, ob Kristin sich überhaupt an sie erinnern würde.
Sie hatten einander sofort wiedererkannt. Die Jahre waren verblasst wie alte vergilbende Schwarzweißfotos, als sie sich gegenseitig im Schnelldurchlauf auf den neuesten Stand gebracht und sich die intimen und bisweilen herzzerreißenden Details ihres Lebens seit ihrem letzten Zusammensein anvertraut hatten. Kristin hatte Suzy von Jeff erzählt. Suzy hatte Kristin von Dave erzählt. Und es hatte nicht lange gedauert, ehe sie auf die Idee kamen, den einen zu benutzen, um den anderen loszuwerden.
Daves Prügel waren immer häufiger und brutaler geworden. Sie hatten es sich nicht leisten können, noch lange zu warten.
Und dann hatte sich plötzlich alles gefügt. Will hatte vor Jeffs Tür gestanden und unangenehme Erinnerungen mit sich gebracht, alte Rivalitäten waren aufgeflackert, neue entfacht worden. Alte Antipathien waren geweckt, neue Allianzen geschmiedet worden.
Zeit für Suzys Auftritt.
Einige wenige wohl gewählte Worte hatten gereicht, um die Kugel ins Rollen zu bringen.
Dann hatte Lainey Tom verlassen, was ihn noch wütender und unberechenbarer gemacht hatte, als er es ohnehin schon war. Ellie hatte Jeff vom bevorstehenden Tod ihrer Mutter berichtet, was ihn verletzlich und verwirrt zurückgelassen hatte. Danach war es nur noch eine Frage des richtigen Timings, des Gespürs, wann man vorpreschen und wann man sich wieder zurückfallen lassen musste, welche Knöpfe man drücken und welche Strippen man ziehen musste, wie heftig man provozieren und wie behutsam man vorgehen musste. Eine tödliche Mischung aus Gerissenheit und Spontaneität, weiblicher List und männlichem Eigensinn, von Gelegenheiten und Losglück.
Beide Frauen hatten ihre Rolle perfekt gespielt. Und auch wenn es schwierig, bisweilen beinahe unmöglich gewesen war, sich voneinander fernzuhalten, sobald der Plan in Gang gesetzt worden war, hatten sie sich darauf geeinigt, ihren Kontakt auf das Allernötigste zu beschränken, bis die Tat vollbracht war.
Natürlich hatte keine der beiden Frauen ahnen können, wie schnell alles gehen würde, wie rasant der langsame Walzer in einen spastischen Jive degenerieren, wie schnell das gemütliche Karussell außer Kontrolle geraten und sich in eine wilde Achterbahnfahrt verwandeln würde.
Und niemand hatte voraussehen können, dass Jeff sich tatsächlich verlieben würde. Kristin erschauderte bei der Erinnerung an die quälenden Augenblicke, in denen sie befürchtet hatte, dass diese Gefühle womöglich erwidert werden und Suzy sich ebenso heftig und unerwartet in Jeff verlieben könnte wie er in sie. Und vielleicht hatte sie sich sogar in ihn verliebt, dachte Kristin jetzt. Zumindest ein bisschen, wie sie Will erklärt hatte.
Genauso wie Kristin sich ein bisschen in Will verliebt hatte.
»Ist dir kalt?«
»Nein, alles ist gut.«
Und so war es. Dave Bigelow war tot. Das Geld aus dem Verkauf des Hauses und seiner Luxuskarossen würde seiner Witwe lange Zeit eine unbeschwerte Zukunft garantieren. Will war auf dem Weg zurück nach Buffalo. Kristin hatte ihren Job im Wild Zone gekündigt. In wenigen Minuten würden sie und Suzy auf dem Highway und nach einem kleinem Umweg, um Dave seinen verdienten Abgang zu verschaffen, auf dem Weg quer durchs Land zu einem neuen Leben in San Francisco sein.
Suzy zupfte an Kristins Pferdeschwanz. »Ich liebe dich«, sagte sie. »So sehr.«
Kristin spürte, wie sich ein Lächeln vom Kopf bis zu den Zehen ausbreitete und sich dann warm um ihr Herz legte. »Ich liebe dich auch.«
So geht es zu Ende.
Danksagung
Ich halte es
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