Das Verheissene Land
Nur noch die Tirganer saßen dort, und er schätzte, dass Turvi und Dielan genug von Tarbas Gebräu hatten und zurück zum Lager gegangen waren. Tarba sagte, der Einbeinige sei müde gewesen und habe etwas aufschreiben wollen, und dann bot er wieder sein starkes Gebräu feil. Bran setzte sich zu seinen alten Kriegern und trank mit ihnen die Nacht hindurch. Sie sprachen über den winterlichen Kriegszug und sangen Lieder über die ehrenvollen Schlachten ihrer Ahnen. Nangor schwang seinen Becher und sang die Legende über die Kinlender und er hörte nicht eher auf, bis er nicht alle Strophen über Manannan gesungen hatte, der das Inselreich Kin-Land versenkt und die Kinlender in Geschöpfe des Meeres verwandelt hatte. Der alte Tarba murmelte etwas über all die Frauen, die ihn in Arborg vermissten. Dann stimmten die Männer wieder die Weisen über die unbekannten Küsten, die fremden Häfen und starken Getränke an, und eine Zeit lang war Bran wieder einer von ihnen.
Die Nacht war zum Morgen geworden, als er ins Zelt kroch und sich neben Tir legte. Er streichelte ihr über den Bauch und ließ seine Hand auf ihrer Hüfte ruhen, ehe ihn der Schlaf zu den blutroten Fahrwassern des Sturmrandes entführte.
Am neunten Tag nach dem Fest versammelten sich die Männer des Felsenvolkes am Strand. Sie hatten ihre Umhänge abgelegt und standen mit nackten Beinen im Sand. Dielan hatte sie zum Langschiff gerufen, denn es war an der Zeit, die Tigam ins Wasser zu ziehen. Die Menschen des Felsenvolkes waren von Natur aus groß gewachsen und die Männer waren stärker behaart als die Tirganer oder die anderen Völker des Südens. Sie ließen ihre Bärte wachsen und schnitten ihre Haare nur selten. In den Augen der Tirganer glichen sich die Männer des Felsenvolkes wie ein Schaf dem anderen, doch Bran konnte sie selbst bei Nebel und Dunkelheit auseinander halten. Er stand an Deck, als sie kamen, und grüßte sie mit offenen Händen. Dort kam Kai mit seinen rötlichen Haaren und den Fäusten voller Sommersprossen. Vermer mit den braunen Augen und dem sanften Wesen hinter seinem dicken Bart stapfte o-beinig über den Sand. Nosser, nach Turvi der Zweitälteste, bewegte sich langsamer als die anderen, doch sein gebeugter Rücken zeigte noch immer die Kraft des Jägers. Kaer, Turvis Sohn, half seinem Vater den Hügel herab. Kaer ähnelte Turvi in vielerlei Hinsicht, auch er hatte den langen Oberlippenbart, der an den Seiten seines Mundes herabreichte. Ken stand bereits am Bug und stopfte seine lederne Hose hinter seinen Gürtel. Ken war der beste Bogenschütze des Felsenvolkes; er war schlank und groß, und es hieß, dass er die Jagdkunst von seinem Vater geerbt hätte, der in den Bergen verschwand, als Ken noch ein Kind war. Gorm und sein Bruder Orm waren zur Stelle und Taran vom Geschlecht Arans. Bran zählte nicht nach, wie viele gekommen waren, auf solche Ideen kam er nicht. Doch er vermisste nur wenige Gesichter und als die letzten Männer den Hügel herabhasteten, fehlten nur noch Velar und Hagdar. Sein Volk war nicht groß an Zahl. Es waren nur zweimal zehn Männer. Er hätte sie jetzt alle gebrauchen können, doch er wusste, dass Hagdar für eine solche Arbeit noch nicht gesund genug war. Und Velar vermisste er nicht. Der blonde Velar, der mit ihm um die Würde gekämpft hatte, als Nojs Nachfolger Häuptling zu werden, hasste ihn, und Bran wusste das. Velar hatte Tir während des Willkommensfestes nach dem Krieg verhöhnt, und Bran hatte ihn zum Zweikampf der Häuptlinge herausgefordert. Es war ein schwieriger Kampf geworden, denn Velar war stark und geschmeidig wie eine Raubkatze. Doch er war noch immer ein Jäger, der Krieg aber hatte Bran zu einem Krieger werden lassen, der viele Menschenleben genommen hatte. Bran fragte sich oft, warum sich Tir zwischen sie geworfen hatte, als er sein Messer an Velars Kehle gehalten hatte, doch er hatte nie mit ihr darüber gesprochen. Velar hatte noch immer die Narbe am Hals, doch für gewöhnlich versteckte er sie unter einem Schal. Vielleicht gefiel es ihm nicht, so wie sein Häuptling auszusehen. Denn auch Bran hatte eine Narbe an der Kehle. Der Sohn des Inselkönigs hatte sie ihm zugefügt, als Bran mit ihm um das Leben von Tir kämpfte.
»Bran!« Dielan rief ihm durch das Rauschen der Wellen zu. »Worauf wartest du? Wir sind bereit!«
Bran schrak aus seinen Gedanken auf. Er spürte, dass er müde war, und dann gingen seine Gedanken oft eigene Wege. Er hatte in der Nacht keine Ruhe
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