Das Verheissene Land
hinab. Er hatte den Männern erklärt, wie sie das Schiff aus den Wellen rudern mussten, doch sie waren noch niemals zuvor auf einem Langschiff auf See gewesen. Die Backbordruder kratzten über den Sand und steuerbord schlugen die Ruder aneinander und fanden keinen Takt.
»Rudert!« Bran holte tief Luft und dachte an seine eigenen Schichten in Visikals Langschiff. Er musste den Männern den Rhythmus geben und sie dazu bringen, mit dem Schiff und den Wellen zu atmen. »Rudert!« Erneut wartete er eine Weile, ehe er den Befehl wiederholte. Er konnte Dielans Stimme dort unten hören. Der Bruder rief den Männern den Takt zu.
Bald hatten die Ruder das Schiff aufgerichtet und Bran bat auch die Männer an Backbord zu rudern. Das Langschiff schob sich rücklings durch die Brandung, die an den Strand schlug. Turvi stand am Bugsteven und lächelte, und Bran wusste, dass dies ein großer Augenblick für ihn war. Der Einbeinige war nie an Bord der Tigam gewesen. Dies war das Schiff, das das Felsenvolk in das verheißene Land führen sollte.
Einen Pfeilschuss vom Strand entfernt befahl Bran den Männern an der Steuerbordseite, rückwärts zu rudern, und schon begann sich der lange Rumpf zu drehen. Es ging langsam, denn das Schiff war schwer und hatte bereits Fahrt aufgenommen. Er dachte an die Schlacht bei Oart, wo die Vandarer sie ins Meer zurückgetrieben hatten und die Tirganer die Schiffe derart schnell gewendet hatten, dass er kaum mehr an Bord gekommen war.
»Lasst uns das Segel setzen!« Turvi hinkte mit einem kindlichen Lächeln auf den Lippen über das Deck. Er streckte den Zeigefinger nach oben und sah nachdenklich in die Wolken. »Lass uns in den Hafen segeln, Bran! Die Tirganer sollen sehen, was für tüchtige Seeleute wir sind!«
Bran warf den Kopf zur Seite, so dass ihm der Wind die Haare aus dem Gesicht blies. »Es ist jetzt zu eng im Hafen; die Zweimaster der Händler liegen gleich hinter der Moleneinfahrt. Ich wage es nicht, das Schiff unter vollen Segeln dort hineinzumanövrieren.«
Turvi schüttelte den Kopf, hinkte zur Reling und stützte sich mit den Händen an der Reihe der Bronzeschilde ab. »Es ist so schön, das Meer!« Der Alte blinzelte zum Horizont im Westen. »Vergib mir meinen Eifer, aber ich freue mich darauf, wieder unterwegs zu sein. Ich weiß, dass Kragg dort draußen auf uns wartet, auf der anderen Seite des Sturmrandes.«
Bran rief seinen Männern zu, wieder gleichmäßig zu rudern, ehe er das Schiff mit dem Steuer aufrichtete. Er mochte es nicht, Turvi so reden zu hören. Der Einbeinige zweifelte nie daran, dass es Kragg, der alte Gott des Felsenvolkes, war, der durch die Träume zu ihnen sprach. Doch Bran hatte Cernunnos gesehen und wusste, dass es dessen Stimme war, die er gehört hatte. Der schwarze Strand, der Körper der Frau in den Wellen, die Berge und das Tal; Cernunnos hatte ihm diese Träume gegeben. Doch er hatte Turvi nichts davon gesagt, denn das hätte der Alte niemals verstanden.
Bran steuerte das Langschiff in einem weiten Bogen um die Landzunge westlich der Stadt herum. Die Wellen klatschten weiß gegen die langen, steinernen Arme, die den Hafen umgaben. Es roch hier nach Salzwasser und Tang, doch der Geruch war nicht so, wie wenn er an Land stand und auf das Meer hinaussah. Und das Meer spürte er jetzt, es lag unter seinen Füßen, es umgab ihn. Es lockte und rief ihn. Am liebsten wäre Bran aufs offene Meer hinausgesteuert, aber er tröstete sich damit, dass es nur noch ein paar Monate waren, bis es so weit sein würde. So zog er das Steuerruder zu sich herüber und steuerte das Schiff auf die Öffnung der Mole zu. Eyna, Turvis Frau, und Nemni standen an der Ostspitze der Mole. Turvi winkte ihnen zu, als das Schiff in den Hafen glitt. Bran lächelte, wagte es aber nicht, das Steuer loszulassen. Es war eng zwischen den Zweimastern, und die Händler standen auf ihren Schiffen, streckten ihm ihre Bäuche entgegen und sahen genau zu.
»Du hast zu viel Fahrt«, murmelte einer von ihnen, als Bran vorbeiglitt.
Bran lief es kalt über den Rücken. Die ganze Stadt sah vom Hafenplatz aus zu. Und die Kaimauer näherte sich rasch.
»Schiebt die Ruder ins Wasser!« Er ließ das Steuerruder los und hastete zur Luke. Dort steckte er seinen Kopf unter Deck. Die Männer ruderten, als wäre ihnen die ganze vandarsche Flotte auf den Fersen. »Schiebt die Ruders ins Wasser, wir sind zu schnell!«
Die meisten hörten zu rudern auf, doch nur wenige begriffen, dass sie die Ruder
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