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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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schlenderte zum Schiffsrumpf hinüber und fuhr mit der Hand über die Planken. »Für den Mast und den Querbaum haben wir nur die besten Palmentaue verwendet. Heute sind wir damit fertig geworden, das Schiff mit Harz abzudichten.«
    »Ihr segelt also, sobald ihr günstigen Fahrwind habt?« Visikal ging zum Strandsaum, wo der Tang im Wasser auf und ab schwappte. »Nach Westen, zum Sturmrand?«
    Bran wandte sich dem Skerg zu. Vare und Ylmer beobachteten sie. Er wusste, dass sie alle meinten, er solle besser nicht fahren. Niemand war je aus den stürmischen Fahrwassern im Westen von Mansar zurückgekehrt.
    »Das ist das Ende der Welt«, flüsterte Ylmer. Sein Blick war finster. »Willst du dein Volk und deine Frau, Visikals Nichte, wirklich in den Tod führen?«
    Bran sah auf das Meer hinaus. Die Skerge würden nicht verstehen, dass er geträumt und Land auf der anderen Seite des Sturmrandes gesehen hatte.
    »Du weißt… Bran«, Visikal verschränkte die Arme vor der Brust, »ich habe darüber nachgedacht. Es geht deinem Volk gut hier, und wir haben gelernt, dass ihr ebenso ehrenvoll seid wie wir. Du kamst in unsere Stadt mit einem Volk, gering an Zahl und mit vielen jungen Frauen, die ihre Männer verloren hatten. Du hast mir selbst davon erzählt, von der Schlacht mit den Riesen.«
    »Die Vokker haben viele Männer meines Volkes getötet.« Bran schlug den Umhang enger um sich, denn der Meereswind frischte immer stärker auf. »Die Frauen der Toten haben im Volk von Tirga neue Gatten gefunden und viele von ihnen erwarten jetzt Kinder. Das ist ein großes Glück für mich und mein Volk.«
    »All das ist gut.« Visikal drehte dem Meer den Rücken zu und kam auf Bran und die anderen Skerge zu. »Bald wird dir Tir einen Sohn oder eine Tochter schenken und dein und mein Geschlecht werden für immer vereint sein.«
    »Euer Kind wird das Blut von Ar in den Adern haben.« Vare legte seine schwere Hand auf Brans Schulter.
    »Wir drei haben darüber gesprochen.« Visikal nickte in Richtung von Vare und Ylmer. »Wir haben entschieden, dass dein Volk hier in Tirga bleiben darf. Ich werde euch persönlich helfen, Steine von den Stränden im Osten zu holen. Wir werden sie auf dem Deck der Langschiffe hierher transportieren. Mit diesen Steinen soll sich dein Volk auf dem Lagerplatz Häuser wie die unseren bauen, und ihr werdet Bürger von Tirga werden.«
    Bran senkte den Blick. Das hatte er erwartet. Visikal wollte nicht, dass die Tochter seines Bruders mit einem fremden Volk ans Ende der Welt segelte. Der Skerg hatte selbst keine Kinder und er und Tir waren die einzigen Überlebenden eines stolzen, alten Geschlechts.
    »Mein Volk…« Bran streckte seine Hand in Richtung der Hügel aus. Noch immer ertönte der Klang der Bronzetrommeln. »Sie wollen weiter. Sie wissen von dem Land, das uns auf der anderen Seite des Sturmes erwartet und das ich in meinen Träumen gesehen habe.«
    Visikal strich sich über den Bart. Er wusste, dass er Bran nicht zwingen konnte. Der Häuptling des Felsenvolkes war selbst ein Skerg. Blutskalle hatte ihn auf seinem Totenbett ehrenhalber zum Skerg ernannt und ihm sein Schiff gegeben, denn Bran hatte Blutskalles Frau im Land des Feindes gefunden und nach Hause gebracht.
    »Sag mir, wann du fahren willst.« Visikal warf sich den roten Umhang um. »Segelt ihr los, sobald der Wind aus Osten weht?«
    »Ich möchte warten, bis sie ihr Kind bekommen hat. Ich verspreche dir, dass du das Kind der Tochter deines Bruders sehen wirst, ehe wir aufbrechen.«
    Visikal zeigte plötzlich einen seltsamen Gesichtsausdruck, und Bran glaubte ein Glitzern in den Augen des Skergs bemerkt zu haben, als ob sie feucht von Tränen geworden wären. Doch es war dunkel am Strand und Visikal hatte viele Schlachten ausgefochten, und so glaubte Bran, dass es sicher bloß die Spiegelung des Meeresleuchtens gewesen war, die er gesehen hatte. Als Bran ihn wieder ansah, drehte sich der Skerg um und begann die Anhöhe emporzusteigen. Bran folgte mit Vare und Ylmer. Visikal deutete auf die Türme, die sich über die Stadt erhoben, und Vare sprach von dem Saatgut, das darauf wartete, dass der Boden auftaute.
    Die vier Männer kletterten mit ihren dicken Stiefeln rasch über den Hügel. Als sie auf den Hafenplatz hinunterkamen, bat Visikal Bran, mit zu ihm in die Burg hinaufzukommen und etwas zu trinken, doch Bran lehnte ab, verabschiedete sich und sah ihnen über die breite Straße nach. Er selbst ging zur Feuerstelle an der Kaimauer zurück.

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