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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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meckerndes Lachen anhörte, ein fernes Schaben und dann ein plötzliches Schnattern, hell und hektisch, bis es abrupt abbrach.

    Darauf folgte Stille.
    Ben erwartete, ein Knirschen und Kauen zu hören, doch nichts dergleichen war zu vernehmen. Sanft schwappte das Meer auf den Sand, Welle um Welle. Der Wald war ruhig, viel zu ruhig. Bis irgendwo ein Vogel schrie und erneutes Kreischen gedämpft herüberdrang.
    »Was war das?«, flüsterte Anula.
    »Ich weiß nicht.«
    »Und wenn es herkommt?«
    »Aiphyron passt auf, und die anderen auch.« Ben drückte ihr einen sanften Kuss aufs Ohr. »Schlaf weiter.«
    »Weiter ist gut gesagt«, murrte Anula, aber sie kuschelte sich an ihn. »Träum schön.«
    »Du auch.«
    Doch der Wunsch wollte nicht helfen. In Bens Träumen fielen hundert wimmelnde Ordensritter über sie her, über und über tätowiert mit diesen fremden Schriftzeichen aus der Flaschenpost. Lange Zungen hingen ihnen aus den Mündern, wie bei hechelnden Hunden, und sie schlugen den Drachen die Flügel ab. Die ledrigen Membranen zogen sie über Bootsgestelle aus riesigen bleichen Knochen, und zwei Flügel stellten sie auf wie Segel. Wie trunken lachten sie und brüllten etwas von einer raffinierten Falle und: »Fliegen ist Sünde! Ihr sündigen Trottel könnt jetzt nach Hause schwimmen.«
    Voller Inbrunst schmetterten sie eine Hymne für den Sonnengott Hellwah, fuhren auf den blutigen Flügelbooten davon und ließen sie auf der plötzlich kargen Insel zurück, umgeben von nichts als Tausenden leeren Flaschen, die alle flüsterten: »Lies mich, lies mich, lies mich«, bevor der Wind über sie hinwegblies und so eine fröhliche Melodie pfiff.

    Ben erwachte vom Gesang der Vögel und schloss die Augen wieder – bis ihm einfiel, wo sie sich befanden, und er die Decke von sich schleuderte. Heute würden sie den Schiffbrüchigen finden, das fühlte er. Oder auch die Schiffbrüchigen, aber ganz sicher waren es keine hundert Ordensritter. Verdammte Träume!
    Auch die Geräusche der Nacht waren im Sonnenschein vergessen oder nicht mehr bedrohlich. Wenn nachts ein Fuchs eine Ente riss, dann hatten vier Menschen in Begleitung von vier Drachen noch lange nichts zu befürchten.
    Nach dem Frühstück begannen sie mit dem Rufen, wenn auch ohne viel Hoffnung. Die Insel war deutlich größer, schon nach hundert Schritt würde sie wohl niemand mehr hören, geschweige denn in der Mitte oder gar am anderen Ende. Und tatsächlich antwortete auch niemand. Ebenso stürzte niemand zu ihnen heraus, um sich auf die Knie zu werfen und ihnen überschwänglich zu danken. Es half nichts, sie mussten auch diese Insel durchkämmen.
    Diesmal stapften sie zu acht durch den dichten Wald, keiner der Drachen kreiste über ihnen. Aiphyron ging voraus und wälzte eine Schneise durch das Unterholz. Dennoch schnalzten immer wieder Äste hinter ihm zurück und trafen Ben im Gesicht oder an den schützend erhobenen Armen. Tief hängende Zweige und Blätter strichen ihm übers Haar, abgebrochene Zweigstückchen rieselten herab.
    Die ganze Rettung eines Unbekannten erwies sich als deutlich langweiliger und zielloser als erwartet. Warum konnten die Inseln hier nicht karg und überschaubar sein?
    »Vorsicht!«
    Ben duckte sich sofort, doch zu spät. Ein zurückschnellender dicker Ast wischte ihn von den Beinen, und er landete
schmerzhaft auf dem Hintern. Motzend erhob er sich, hackte dem Ast zur Strafe ein paar Zweige und Blätter ab, spuckte ihn an und ging weiter. Noch so etwas, und der Schiffbrüchige könnte verdursten! Selbst schuld, hätte er halt Tirdisch geschrieben!
    Auch hier fanden sie zwischen zwei knorrigen Bäumen eine Quelle, aus der sie trinken und die Vorräte auffüllen konnten, und ein ganzes Stück davon entfernt ein Loch, das in die felsige Tiefe führte. Dieses war ebenso breit wie das auf der anderen Insel, jedoch nicht ganz so zugewachsen, sodass es gut zu erkennen war und keiner Gefahr lief, hineinzustürzen.
    »Hallo!«, brüllte Ben wütend hinunter, aber auch hier antwortete nur das Echo.
    Aiphyron schob seine Schnauze über den Rand, schnüffelte und stierte hinab. »Ich kann nichts erkennen außer Stein. Und es stinkt nach Moder.«
    »Hier ist niemand.« Yanko stellte sich zwischen sie und legte ihnen den Arm um die Schultern. »Lasst uns verschwinden, dann schaffen wir heute noch eine Insel. Wir können unmöglich jede Ecke auf jeder Insel absuchen.«
    Ben drehte sich um und sah Anula und Nica an. Sie erwiderten seinen Blick und

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