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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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warteten, als wäre es allein seine Entscheidung, nur weil die ganze Suche sein Vorschlag gewesen war. Aber sie wirkten nicht, als machte ihnen das hier Spaß. Also zuckte er mit den Schultern. »Meinetwegen, gehen wir.«
    Doch noch bevor sie sich umgedreht hatten, stürzte Feuerschuppe ins Gebüsch und raste zwischen peitschenden und splitternden Ästen hindurch. Schwer schlugen seine Klauen auf den Boden. Vor ihm erklang ein hektisches Schnattern,
das Ben zusammenzucken ließ. Ein Schnattern, wie er es in der letzten Nacht gehört hatte. Und wie in der Nacht verstummte es ganz plötzlich.
    Als Feuerschuppe zurückkehrte, trug er eine grün gefiederte Ente von der Größe eines dicken Schafs im Maul und presste zwischen zusammengebissenen Zähnen »Mittagessen« hervor.
    »Kann ich einen Schenkel abhaben?«, fragte Yanko und klopfte dem Drachen auf die Schulter.
    »Klar.«
    Also setzten sie sich an den Strand und machten ein Feuer, um die Riesenente zu braten. Auf einmal hatte es Yanko nicht mehr eilig. Pfeifend rupfte er das Tier und wartete geduldig, bis es durch war. Ihr Fleisch war dunkler als das einer gewöhnlichen Ente und um vieles zarter.
    Juri und Aiphyron fingen derweil noch eine Handvoll Fische, und Marmaran, der die schärfsten Augen hatte, überflog die Insel dreimal und brüllte, ob da unten jemand gerettet werden wolle.
    Niemand antwortete, nur ein paar schwarze Baumhörnchen kreischten und sprangen unter ihm von Ast zu Ast. Zu klein, um eine lohnende Beute darzustellen.
    »Von keiner der anderen Inseln steigt Rauch auf«, berichtete er noch, also ließen sie Juri nach dem ausgedehnten Mittagsmahl am Nachmittag entscheiden, wohin sie sich wenden sollten. Schließlich konnte er am ehesten die Strömung und den Weg der Flasche einschätzen. Er deutete nach Osten, und sie löschten das Feuer und setzten ihre Suche fort.

VON LÖCHERN UND DER LAUERNDEN DUNKELHEIT
    S ie erreichten die dritte Insel am späten Nachmittag, umkreisten sie wie die anderen und riefen ihr Hilfsangebot in die Tiefe. Wieder reagierte niemand, doch da der Schiffbrüchige auf dem Pergament diese fremden kantigen Zeichen verwendet hatte, verstand er ihre Sprache wahrscheinlich nicht. Woher sollte er wissen, was sie schrien? Vielleicht fürchtete er geflügelte Drachen und versteckte sich irgendwo dort unten, kauerte zitternd unter einer Wurzel, und sie müssten ihm erst mit Zeichensprache verständlich machen, dass geflügelte Drachen nicht verflucht waren und er gerettet. Also landeten sie erneut am Strand. Es handelte sich um die bislang größte Insel, aber Marmaran sagte, die eine im Westen sei mindestens doppelt so groß, und auf dem Flug hierher habe er noch eine weitere im Süden erspäht.
    »Da haben wir ja noch einiges vor uns.« Anula seufzte.
    »Wetten, wir finden hier wieder so ein dämliches Loch im Boden?«, fragte Yanko.
    »Noch ein Loch?« Ben schüttelte den Kopf. »Nein, noch so eins wäre ein zu großer Zufall. Wo kommen die überhaupt her?«
    Keiner wusste das zu sagen. Vulkane konnten es nicht sein.
    »Vielleicht haben hier früher mal Menschen gelebt«, schlug Juri vor. »Und das sind die Überreste der Brunnen, die sie gegraben haben. Längst ausgetrocknet und seit Jahrzehnten
nicht mehr benutzt. Weit im Westen eurer Heimat habe ich so einen ausgehobenen Schacht mal gesehen, der erinnerte mich an einen ähnlichen im Nordosten, wo ich an einem schönen Herbstnachmittag auf einem moosbewachsenen Irrgarten aus Felsen landete, weil ich dort im Schatten …«
    »Und all die anderen Überreste, wo sind die?«, unterbrach ihn Yanko. »Die behauenen Steine der Hausmauern, die gerodeten Schneisen für Straßen oder auch nur das Dach und die Kurbel für den Eimer über dem Brunnen? Ein Brunnen, der nicht einmal gerade in die Tiefe führt, sondern leicht schräg.«
    »Vielleicht waren die Häuser aus Holz und sind seit Jahrhunderten vermodert und die Straßen überwuchert, weil es so lange her ist?«
    »Aber warum sollte man überhaupt einen Brunnen graben, wenn man direkt um die Ecke eine sprudelnde Quelle hat?«, warf Nica ein.
    »Gute Frage.« Feuerschuppe schnaubte. »Vielleicht weil sie zum Nachbardorf gehört und jeder eine eigene Wasserstelle haben wollte? Menschen sind so.«
    »Wie auch immer, das ist lange her«, sagte Anula. »Löcher im Boden sind Löcher im Boden. Was sollen uns die kümmern? Hauptsache, wir finden wieder eine solche Quelle, das ist viel wichtiger.«
    »Klar ist Wasser wichtiger als ein Loch

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