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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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ich es auch versehentlich in den Mund bekommen. So ist das im Kampf. Oder hältst du mich für einen Menschenfresser?«
    »Unsinn.« Anula rieb ihm über die Schnauze und lächelte.
    »Hallo!«, schrie Yanko in das Loch hinab. »Hallo! Ist da wer? Jemand verwundet?«
    Doch auch hier bekamen sie keine Antwort. Wenn irgendwer in das Loch gestürzt war und noch unten lag, wie tief unten auch immer, dann lebte er wohl nicht mehr. Etwas anderes war bei einem solchen Abgrund auch nicht zu erwarten gewesen. Wahrscheinlich stammte das Blut wirklich von einem Tier. Ben dachte an das abgebrochene Geschnatter
der letzten Nacht. Tiere starben auf diesen Inseln wie überall, sie verletzten sich.
    »Hallo!«, brüllte nun auch Juri mit aller Kraft, und seine tiefe Stimme hallte wie fernes Donnergrollen in der Tiefe wider, sodass sie verstärkt zurückgeworfen wurde.
    »Das hat jetzt wirklich jeder gehört. Auf allen Inseln im Umkreis.« Yanko, der neben dem Drachen stand, rieb sich mit der Linken das Ohr und klopfte ihm mit der Rechten auf die Schulter. Unten herrschte noch immer Stille. Sie wandten sich ab und stapften weiter.
    Minute um Minute verrann. Sie entdeckten eine kleine Höhlung unter einer Baumwurzel, in der sich keine menschlichen Spuren fanden; nur zwei schillernde Käfer jagten sich mit klickenden Scheren im Kreis. Gelangweilt kickte Ben einen Stein nach ihnen, traf jedoch nicht.
    Weiter und weiter stapften sie, bis sie schließlich auch noch auf eine Quelle stießen, die zwischen zwei Felsen hervorsprudelte. Sie waren höchstens fünf Schritt hoch und vollständig zugewachsen mit Gräsern, hellgrünen Flechten und kleineren Sträuchern, die sich mit bleichen Wurzeln in das Erdreich in den Ritzen klammerten.
    Neben der Quelle befand sich eine kleine Feuerstelle mit kalter schwarzer Asche, dahinter führte eine übermannshohe Spalte in den grauen Fels, die mit einer Palisade aus grob zurechtgeschnitzten Ästen verschlossen werden konnte.
    Die mit langen, geflochtenen Gräsern zusammengeschnürte Palisade lehnte neben der Öffnung wie eine einladend geöffnete Tür, auf dem Boden daneben lag ein angespitzter Stock von Mannslänge, ein behelfsmäßig hergestellter Speer.
    Ganz sicher stammte der nicht von einem Tier. Überall
im Kreis lagen Splitter von aufgebrochenen rötlichen Nussschalen.
    »Hallo!«, brüllte Ben, von plötzlicher Freude gepackt. Sie hatten ihn gefunden!
    »Hallo!«, schrien auch die anderen, aber nur ein paar Vögel und Hörnchen antworteten. Niemand trat aus der Felsspalte hervor. Auch aus dem Wald ertönte keine Antwort, keine Schritte näherten sich.
    »Und jetzt?«
    »Warten wir«, sagte Juri und trank aus der Quelle. »Bald geht die Sonne unter, spätestens dann kommt er hierher zurück. «
    »Und wenn nicht?«
    »Dann suchen wir morgen weiter.«
    Auch Ben sah ein, dass Warten sinnvoller war, als noch eine halbe Stunde durch den Wald zu irren, während sich die Dämmerung zwischen die Bäume senkte. Die Schatten unter den großen Blättern wurden schon jetzt dunkler. Doch es gefiel ihm nicht, tatenlos herumzusitzen, also sah er sich um, während Yanko mit vier noch geschlossenen, faustgroßen, rötlichen Nüssen vor den Mädchen jonglierte, um bewundernde Blicke zu kassieren. Auch von Anula.
    Pah! Armseliger Angeber. Vier Nüsse war für Welpen. Für blinde, lausverseuchte Welpen. Vier Nüsse, das machte Ben nachher mit einer Hand.
    In der Spalte neben der Palisade fand sich ein Bett aus vertrockneten Blättern und Gräsern, in den Fels neben der Tür waren Striche eingeritzt, stets fünf senkrechte, die dann von einem sechsten durchgestrichen waren. Eine seltsame Art der Zählung. Dreizehn Blöcke ergaben die Summe von achtundsiebzig Strichen, daneben prangten noch vier senkrechte.

    »Zweiundachtzig Tage«, vermutete Ben. Zweiundachtzig Tage Einsamkeit, denn er hatte nur ein einziges Bett gesehen. Zweiundachtzig Tage Nüsse und Riesenenten und jede Nacht das Schnattern und Kreischen im Ohr. Was für ein bitteres Los.
    Langsam ging Ben wieder hinaus und warf einen Blick auf den Speer. Die Spitze war mit dunklen Flecken übersät. Blut. Unwillkürlich dachte er wieder an die Flecken vor dem tiefen Loch.
    »Wir sollten nach ihm suchen«, sagte Ben. »Wenn er könnte, wäre er bestimmt schon hier.«
    »Und wo willst du ihn suchen?« Yanko ließ eine Nuss fallen und fluchte. Anula und Nica sahen nun Ben an, und Yanko brummte unwirsch, dass es nicht seine Schuld sei, Ben habe ihn abgelenkt.
    »In

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