Das Verlies
Eltern treffen können. Danach werden Sie Ihre Eltern erst wieder beim Prozess sehen. Aber wie gesagt, wird das heute nicht mehr möglich sein, da auch wir irgendwann Feierabend haben. Sie bleiben heute Nacht noch hier, wir sehen uns morgen Vormittag wieder. Dann werden auch Ihre Eltern hier sein, vorausgesetzt, sie wollen Sie überhaupt sehen.«
»Kann ich Zigaretten haben? Am besten gleich eine ganze Stange, Ihre Gauloises schmecken nämlich scheußlich. Mit irgendwas muss ich mir ja die Zeit in dieser erbärmlichen Zelle vertreiben. Und das Essen und Trinken, kann ich das auch mitnehmen?«
»Sicher. Und Sie bekommen Ihre Zigaretten, ich werde einen Beamten bitten, sie Ihnen zu holen. Haben Sie Geld?«
»Das haben Sie mir vorhin abgenommen.«
Hellmer bedeutete dem vor der Tür postierten Beamten, Lura in seine Zelle zu führen. In der Tür drehte sich Lura noch einmal um und sagte mit einem seltsamen Lächeln: »Ach ja, noch was – Sie sollten nicht alles glauben, was ich so sage. Sie verstehen schon, oder?«
»Was meinen Sie?«, fragte Durant irritiert.
»Überlegen Sie doch mal.«
Nachdem er weg war, fragte Hellmer: »Und, wie ist es gelaufen?«
»Du hast doch eben mitbekommen, was er gesagt hat. Ichmuss das alles erst verdauen. Als wir allein waren, hat er sich mit einem Mal sehr einsichtig gezeigt. Als wäre er vom Saulus zum Paulus geworden. Aber dieses kleine Arschloch spielt weiter mit uns. Der scheint noch immer nicht begriffen zu haben, dass er verloren hat. Schachmatt.«
»Was hat er denn so von sich gegeben?«, fragte Hellmer verwundert.
»Du kannst dir ja das Band anhören. Komm, wir gehen noch mal rüber zu Berger und dann nach Hause, morgen wird wieder ein anstrengender Tag. Und dann ist hoffentlich das Gröbste vorbei.«
Durant erstattete Berger einen kurzen und dennoch detaillierten Bericht über das Verhör und verabschiedete sich. Sie war müde und ausgebrannt, die Zeiger der Uhr standen auf zehn vor halb acht. Zusammen mit Hellmer ging sie zum Parkplatz, sagte nur »Tschüs« und fuhr nach Hause. Sie überlegte, ob sie noch genug Bier im Kühlschrank hatte, hielt an einem Penny Markt, der bis zwanzig Uhr offen hatte, kaufte sechs Dosen, schaute kurz auf den Pfandzettel und warf ihn weg.
Zu Hause angekommen, ließ sie sofort Badewasser ein, machte sich was zu essen, rauchte aber vorher eine Zigarette. Um kurz vor zehn ging sie zu Bett, hatte jedoch Mühe einzuschlafen, wie immer, wenn ein Fall gelöst war und alles noch einmal durch ihren Kopf raste.
Dienstag, 8.30 Uhr
Julia Durant hatte kaum vier Stunden geschlafen, als sie vom Wecker aus einem düsteren Traum gerissen wurde. Sie war wie gerädert und blieb noch fünf Minuten liegen, ihr Kopf schmerzte, als hätte sie die ganze Nacht durchgezecht. Nach ihrem morgendlichen Ritual fuhr sie ins Präsidium und besprach sich mit Berger und ihren Kollegen, bis Hellmersagte: »Ich hab mir das Band angehört. Wenn man das vor Gericht verwendet, sieht es so aus, als würde er sich einsichtig zeigen …«
»Das hab ich doch gestern Abend schon gesagt. Der ist ein notorischer Spieler …«
»Aber du hast hoffentlich kein Mitleid mit ihm.«
»Quatsch, das wäre vielleicht früher mal passiert, doch heute … Aber es sind immer wieder neue Geschichten, mit denen wir konfrontiert werden.«
»Also doch Mitleid.«
»Hör doch auf mit diesem Scheiß! Wenn du genau hingehört hast, dann weißt du, wovon ich spreche. Lura hat gestanden, wir haben es auf Band, über alles Weitere entscheiden der Staatsanwalt und der Richter. Was willst du jetzt noch von mir?!«, giftete sie ihn an.
»’tschuldigung, gar nichts. Aber vergiss nicht, dass er vier Menschenleben auf dem Gewissen hat …«
»Frank, es reicht. Wir haben unsere Arbeit getan, und was jetzt passiert, liegt nicht mehr in unseren Händen. Bringt mir den Lura her.«
Er machte einen übernächtigten Eindruck, sein Anzug war zerknautscht, er hatte tiefe Ringe unter den Augen, seine Haut war unnatürlich blass.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Durant.
»Ich habe schon bequemer geschlafen, wenn man überhaupt von Schlafen reden kann, bei dem Krach. Türen auf, Türen zu, randalierende Gefangene, ich hab das volle Programm erlebt. Ist das im normalen Knast genauso?«
»Nein. Sie werden heute noch nach Weiterstadt verlegt, wo es um einiges angenehmer zugeht. Aber vorher will Sie der Staatsanwalt sprechen. Möchten Sie noch immer keinen Anwalt?«
»Brauche ich einen?«
»Es wäre
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