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Das verlorene Kind

Titel: Das verlorene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rahel Sanzara
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freudigem Schmerz die
Nahrung wächst. Ein verzückter, sehnsüchtiger Schimmer lag über ihren
Augen, ein Schimmer, der in Emmas Augen zu einem strahlenden Glanz,
gemischt aus Güte und Trauer, aus Liebe und Verzweiflung, sich
steigerte und so schön und verklärend war, daß er die rotflammenden
Narben ihres Gesichtes verlöschte. Die beiden Frauen, Greisinnen fast,
trugen in ihrem Blut noch unvergangen den Traum von Glück, das
zitternde Streben nach Hingabe und Seligkeit, das nur mit dem Tod ihrer
Herzen erlöschen konnte.
    Unter ihnen saß auch Christian. Voll Kraft noch immer sein
alternder Körper, voll Wärme des Weines und des Sommerabends auch sein
Blut, sein Herz aber unbewegt, fest in den Fängen des Unerbittlichen.
Sein Sinn ungerührt und stumm. Er hatte die schweren Lider nur wenig
gehoben, um den Söhnen zuzusehen, die, berauscht von Wein, Jugend und
Kraft, auf dem silbern glänzenden Rücken des Hügels miteinander rangen.
Wenn ihr Lachen, in das die junge Frau das ihre mischte, und ihre
anfeuernden Rufe im Kampfe für eine Zeit schwiegen, hörte man von
unten, wo der Knecht Martin an dem lichtströmenden Bach saß, das sanfte
Tönen seines Gesanges. Die junge Magd war ins Dorf geschlichen, der
zweite Knecht lag in der Nähe des Stalles und schlief, schnell
berauscht von zwei Gläsern des Weines.
    Am nächsten Morgen zogen die Gäste wieder fort. Diesmal reiste
der Vater mit ihnen, um sie bis zum Schiff zu bringen. Die
Abschiednehmenden umarmten einander mit derselben traurigen
Verlegenheit, mit der sie sich begrüßt hatten, denn sie waren sich
fremd geblieben. Der Knecht Martin war des Kindes wegen zum Abschied
fortgeschickt worden, und das Kind schien ihn auch ganz vergessen zu
haben. Sein Spielzeug hatte man ihm im Schlafe fortgenommen und in
einem der Koffer gut verwahrt. Der zweite Knecht spannte ein und
kutschierte auch. Abseits im Felde stehend, sah Martin den Wagen vom
Feldweg auf die Landstraße lenken und von da weiterrollen.
    In der Hafenstadt, im Anblick des mächtigen Ozeandampfers,
sprach der Vater zu den Söhnen und sprach auch das erstemal von der
Vergangenheit. Er sagte: »Lebt wohl. Wir werden uns nicht wiedersehen.
Ihr habt eine neue Heimat gefunden, das ist gut, das habe ich so
gewollt. Ich bin alt, und ihr braucht mich nicht mehr zu besuchen. Zu
euch reisen werde ich auch nicht. Ihr waret gute Kinder. Meine Liebe
konnte ich euch nur beweisen, indem ich euch von mir gegeben habe, weil
es das beste war. Eure Mutter hat an Unglück nie geglaubt, das war
Sünde von ihr, aber sie hat ein leichteres Leben gehabt bis zu ihrem
frühen Tode. Ich habe das Unglück getragen und es auf mich genommen,
ich habe ein schweres Leben, und der Tod kommt viel zu spät. Darum sage
ich euch, lebt, wenn ihr könnt, wie eure Mutter gelebt hat, und lebt
ferne von mir. Bleibt gesund, und Gottes Segen für eure Arbeit!«
    Er umfing schnell einen jeden Sohn mit seinen Armen, die junge
Frau aber nicht und das Kind nicht, wandte sich ab von ihnen und ging,
ohne die Stunde der Abfahrt zu erwarten, fort, tauchte unter im Gewühl.
Die Söhne waren betroffen über seine Worte, deren Sinn sie nicht
verstanden, denn mehr und glücklicher noch, als der Vater es ahnte und
wünschte, waren ihre Empfindungen und Geschicke von denen der Eltern,
der Heimat, getrennt. Nichts von dem Bösen, nichts von dem Schweren war
für sie geblieben. Zwar hatte der Älteste jetzt Tränen in den Augen,
denn er liebte den Vater noch aus der Erinnerung der Kinderjahre, wo er
mit ihm die erste weite Reise in ein fremdes Land gemacht hatte, wo sie
die kleine Schwester gefunden und auf dem fremden Kirchhof begraben
hatten. Doch versank auch diese Erinnerung und beiden die entfremdete
Heimat, als sie mit dem Schiff das offene Meer erreichten, das sie an
die Stätten ihrer Arbeit, in die Zukunft ihrer noch so jungen Leben
trug.
    Auf dem kleinen Bauerngut lebte nun alles in leeren, schnell
verwehenden Jahren dem Ende zu. Die Arbeit hielt die langsam sich
verringernden Kräfte der Alternden noch lange aufrecht, der Gedanke an
die Arbeit erfüllte ihre bis zum Grund durchwühlten Gemüter, der
Frieden des unsichtbar ihnen entgegen ziehenden Todes besänftigte ihre
Herzen. Als Stütze ihrer Arbeit, als Zeuge ihres Sterbens lebte Martin
mit ihnen. Sein Fleiß verdoppelte sich, wenn die anderen ermüdeten,
seine Kraft entfaltete sich, wenn die anderen verzagten. Seine Stimme
sang in das

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