Das Verlorene Labyrinth
verschlechtert.« Authié wandte den beiden den Rücken zu, stemmte die Hände in die Taille und starrte aus dem Fenster auf die Kathedrale.
»Also, was habt ihr für mich?«
»Biau hat ihr einen Zettel zugesteckt«, sagte Domingo.
»Der verschwunden ist«, sagte Authié sarkastisch, »zusammen mit der Frau. Warum sind Sie hier, Domingo, wenn Sie doch nichts Neues zu sagen haben? Warum stehlen Sie mir meine Zeit?«
Domingo lief dunkelrot an. »Wir wissen, wo sie ist. Santini hat sie heute in Toulouse aufgespürt.«
»Und?«
»Sie hat Toulouse vor etwa einer Stunde verlassen«, sagte Braissart. »Den Nachmittag hat sie in der Bibliotheque Nationale verbracht. Santini hat uns eine Liste mit den Webseiten durchgefaxt, die sie aufgerufen hat.«
»Wird der Wagen verfolgt? Oder ist das zu viel verlangt?« »Wird er. Sie ist auf dem Weg nach Carcassonne.«
Authié setzte sich in seinen Sessel und starrte die beiden über den riesigen Schreibtisch hinweg an. »Dann werdet ihr sie also in ihrem Hotel erwarten, oder nicht, Domingo?«
»Doch, Sir. In welchem Ho...«
»Le Montmorency«, zischte er. Er legte die Fingerspitzen aneinander. »Sie darf auf keinen Fall merken, dass wir sie beobachten. Durchsucht ihr Zimmer, das Auto, alles, aber unauffällig.« »Suchen wir denn noch irgendwas anderes außer dem Ring und dem Zettel, Sir?«
»Ein Buch«, sagte er. »Etwa so hoch. Holzdeckel mit Ledereinband. Es ist sehr kostbar und sehr empfindlich.« Er griff in eine Aktenmappe auf seinem Schreibtisch und warf ein Foto auf den Tisch. »So ähnlich wie das da.« Er ließ Domingo ein paar Sekunden Zeit, das Foto zu studieren, dann nahm er es wieder an sich. »Also, wenn das alles ist ...«
»Wir haben das hier von einer Pflegerin im Krankenhaus bekommen«, sagt Braissart eilig und hielt ihm ein Stück Papier hin. »Biau hatte es in der Tasche.«
Authié nahm es. Es war eine Quittung für ein Päckchen, das am späten Montagabend als Einschreiben auf der Hauptpost in Foix mit einer Adresse in Carcassonne aufgegeben worden war. »Wer ist Jeanne Giraud?«, fragte Authié .
»Biaus Großmutter, mütterlicherseits.«
»Was sagt man dazu?«, murmelte er nachdenklich. Er beugte sich vor und drückte den Knopf der Sprechanlage auf seinem Schreibtisch. »Aurelie, ich brauche Informationen über eine gewisse Jeanne Giraud. G-i-r-a-u-d. Wohnhaft Rue de la Gaffe. Schnellstmöglich.« Authié lehnte sich wieder zurück. »Weiß sie, was ihrem Enkel passiert ist?«
Braissarts Schweigen war Antwort genug. »Findet das raus«, sagte er schneidend. »Das heißt, während Domingo Dr. Tanner einen Besuch abstattet, gehen Sie, Braissart, zum Haus von Madame Giraud und schauen sich dort um - wohlgemerkt, unauffällig. Ich erwarte Sie auf dem Parkplatz gegenüber der Porte Narbonnaise in« - er sah auf die Uhr - »dreißig Minuten.«
Die Sprechanlage summte erneut.
»Worauf wartet ihr noch?«, sagte er und entließ sie mit einem Winken. Erst als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, meldete er sich.
»Ja, Aurelie?«
Während er zuhörte, glitt seine Hand zu dem goldenen Kruzifix, das er um den Hals trug.
»Hat sie gesagt, warum sie den Termin eine Stunde vorverlegen will? Natürlich kommt mir das ungelegen«, unterbrach er die Entschuldigungen der Sekretärin. Er zog sein Handy aus der Jacketttasche. Keine SMS. In der Vergangenheit hatte sie sich immer direkt bei ihm gemeldet.
»Ich muss jetzt los, Aurelie«, sagte er. »Die Informationen über Giraud können Sie auf dem Nachhauseweg in meiner Wohnung abgeben. Vor acht Uhr.«
Dann zog Authié sein Jackett von der Rückenlehne, nahm ein Paar Handschuhe aus der Schublade und verließ das Büro.
Audric Baillard saß an einem kleinen Schreibtisch im vorderen Schlafzimmer in Jeanne Girauds Haus. Die Fensterläden waren halb geschlossen und filterten die Nachmittagssonne, die den Raum nur schwach erhellte. Hinter ihm stand ein schmales altmodisches Bett mit beschnitzten Kopf- und Fußbrettern, das frisch mit weißer Baumwollwäsche bezogen war.
Jeanne hatte ihm diesen Raum schon vor vielen Jahren überlassen, und er konnte ihn benutzen, wann immer er wollte. Sie hatte alle seine Publikationen auf einem Regal über dem Bett aufgereiht, eine Geste, die ihn tief gerührt hatte.
Baillard besaß nur wenige Habseligkeiten. In diesem Raum bewahrte er nur Kleidung zum Wechseln und Schreibmaterial auf. Zu Beginn ihrer langjährigen Zusammenarbeit hatte Jeanne ihn wegen seiner Vorliebe für
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