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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Vermutung nahe. Authié suchte weiter nach dem Ring. Nachdem er im Erdgeschoss fertig war, ging er die Treppe hinauf. Die Tür zum hinteren Schlafzimmer war gleich gegenüber. Es war mit Sicherheit Girauds Zimmer, hell und sauber und feminin. Er durchsuchte den Kleiderschrank und die Kommode. Seine sachkundigen Finger gingen die wenigen, aber qualitativ guten Kleidungsstücke und die Unterwäsche durch. Alles war akkurat gefaltet und geordnet und duftete schwach nach Rosenwasser.
    Auf dem Frisiertisch vor dem Spiegel stand eine Schmuckkassette. Ein paar Broschen, eine vergilbte Perlenkette und ein goldenes Armband lagen darin zusammen mit etlichen Ohrringpaaren und einem silbernen Kruzifix. Ihr Verlobungsring und ihr Ehering steckten fest in einem alten roten Filzkissen, als würden sie nur selten hervorgeholt.
    Das vordere Schlafzimmer war dagegen kahl und schlicht. Außer einem schmalen Bett und einem Schreibtisch mit Lampe unter dem Fenster gab es so gut wie keine Möbel. Das gefiel Authié. Es erinnerte ihn an die nüchternen Zellen der Abtei. Offenbar war es erst kürzlich verlassen worden. Ein halb leeres Wasserglas stand auf dem Nachttisch neben einem abgegriffenen Band mit okzitanischen Gedichten von René Nelli. Authié trat an den Schreibtisch, auf dem sich ein altmodischer Füllfederhalter nebst Tintenflasche und einige Bögen dickes Papier befanden. Dann fiel sein Blick' auf ein Blatt Löschpapier, das kaum benutzt worden war.
    Er wollte seinen Augen nicht trauen. An diesem Schreibtisch hatte jemand gesessen und einen Brief an Alice Tanner geschrieben. Der Name war deutlich lesbar.
    Authié drehte das Löschblatt um und versuchte die Unterschrift zu entziffern, die am unteren Rand halb sichtbar war. Die Handschrift mutete altmodisch an, und einige Buchstaben verschmolzen mit anderen, doch nach einer Weile erkannte er eine Art Namensgerüst.
    Er faltete das grobe Papier zusammen und steckte es in die Brusttasche. Als er sich zum Gehen wandte, bemerkte er ein kleines Stück Papier auf dem Boden, das zwischen Tür und Türrahmen steckte. Authié hob es auf. Es war ein Teil von einer Zugfahrkarte, einfache Fahrt, mit he utigem Datum. Der Zielort, Car cassonne, war deutlich zu lesen, leider jedoch nicht der Name des Bahnhofs, wo die Fahrkarte gekauft worden war.
    Die Glocken von Saint-Gimer schlugen die volle Stunde und erinnerten ihn daran, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, um rechtzeitig zurück zu sein. Nach einem letzten prüfenden Blick, ob auch alles so war, wie er es vorgefunden hatte, verließ er das Haus auf demselben Weg, den er gekommen war.
    Zwanzig Minuten später saß er auf dem Balkon seiner Wohnung am Quai de Paicherou und blickte über den Fluss hinüber auf die mittelalterliche Cité. Auf dem Tisch vor ihm stand eine Flasche Chateau Villerambert Moureau mit zwei Gläsern. Auf dem Schoß hatte er die Unterlagen mit den Informationen über Jeanne Giraud, die seine Sekretärin in der letzten Stunde gesammelt hatte. Ein weiteres Dossier enthielt den vorläufigen Bericht des forensischen Anthropologen über die Skelette aus der Höhle. Authié überlegte einen Moment, dann nahm er mehrere Seiten aus dem Giraud-Umschlag. Anschließend verschloss er den Umschlag wieder, goss sich ein Glas Wein ein und wartete auf die Ankunft seines Besuchs.

Kapitel 32
     
    Ü berall am hohen Ufer des Quai de Paicherou saßen Männer und Frauen auf Metallbänken und genossen den Blick auf die Aude. Die weiten, gepflegten Rasenflächen der öffentlichen Parks wurden von fröhlich bepflanzten Blumenbeeten und sorgsam angelegten Wegen aufgelockert. Die grellen Lila- und Gelbund Orangetöne auf dem Kinderspielplatz passten zu den überbordenden Farben der Blüten in den Beeten - Raketenblumen, riesige Lilien, Rittersporn und Geranien.
    Marie-Cecile saß im Wagen und warf einen anerkennenden Blick auf das Haus, in dem Paul Authié wohnte. Die Gegend war so, wie sie erwartet hatte, ein diskretes und dezentes quartier, das es nicht nötig hatte, dick aufzutragen, eine Mischung aus Einfamilienhäusern und Apartments. Während sie noch in ihre Betrachtung versunken war, radelte eine Frau mit blauem Seidenschal und hellroter Bluse auf dem Fahrradweg vorüber. Marie-Cecile spürte, dass sie beobachtet wurde. Ohne den Kopf zu bewegen, blickte sie nach oben und sah einen Mann auf dem oberen Balkon stehen, der beide Hände auf das schmiedeeiserne Geländer gestützt hatte und zu ihrem Wagen herunterschaute. Sie lächelte. Sie

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