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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Himmel schwebte.
    Alice verliebte sich auf den ersten Blick.
    Sie hielt am Straßenrand und stieg aus. Es gab zwei Festungswälle, einen inneren und äußeren Ring. Sie konnte die Kathedrale und die Burg erkennen. Ein rechteckiger, symmetrischer Turm, sehr schlank, sehr hoch, überragte alles andere.
    Die Cité lag oben auf einem grasbewachsenen Berg. Die Hänge führten zu Straßen hinunter, die von rot gedeckten Häusern gesäumt wurden. In der Ebene am Fuße des Berges sah Alice Weinfelder, Feigen- und Olivenbäume, lange Reihen mit schweren, reifen Tomaten.
    Sie hatte keine Lust, näher heranzufahren und dadurch den Bann vielleicht zu brechen, deshalb schaute Alice zu, wie die Sonne unterging und allem die Farbe nahm. Sie fröstelte, die Abendluft auf ihren nackten Armen war kühl.
    Die Erinnerung lieferte ihr die Worte, die sie brauchte. Am Ausgangspunkt anzukommen und den Ort zum ersten Mal zu erkennen.
    Zum ersten Mal verstand Alice ganz genau, was T. S. Eliot damit gemeint hatte.

Kapitel 31
Carcassonne
     
    P aul Authié s Kanzlei befand sich im Herzen der Ville Basse, der Unterstadt von Carcassonne.
    Seit zwei Jahren florierten seine Geschäfte außerordentlich gut, und seine Adresse spiegelte den Erfolg wider. Ein Gebäude aus Glas und Stahl von einem namhaften Architekten, ein eleganter, von Mauern umgebener Innenhof, ein Atrium-Garten, der die Büros und Flure voneinander trennte. Alles war dezent und stilvoll zugleich.
    Authié war in seinem Büro in der vierten Etage. Das riesige Fenster ging nach Westen und bot einen Blick auf die Kathedrale Saint-Michel und die Kasernen des Fallschirmspringerregiments. Der Raum war so wie sein Besitzer, ordentlich, mit einem genau kontrollierten Anflug von Reichtum und konventionellem, gutem Geschmack.
    Die gesamte Außenwand des Büros bestand praktisch aus Glas. Um diese Tageszeit waren die Jalousien zum Schutz gegen die späte Nachmittagssonne heruntergelassen. An den anderen drei Wänden hingen gerahmte Fotos, Zeugnisse und Urkunden sowie einige alte Landkarten, Originale, keine Reproduktionen. Manche stellten die Routen der Kreuzfahrer dar, andere zeigten die Verschiebung der historischen Grenzen des Languedoc. Das Papier war vergilbt, und die rote und grüne Tinte war stellenweise verblasst, was für eine unregelmäßige, fleckige Farbverteilung sorgte.
    Ein langer und breiter Schreibtisch, extra für den Raum entworfen, stand vor dem Fenster. Er war fast leer, bis auf die große, in Leder gefasste Schreibtischunterlage und einige wenige Fotos, darunter eine Studioaufnahme von seiner Exfrau mit den beiden Kindern. Dieser Nachweis für Stabilität und einen soliden Lebenswandel als Familienvater wirkte sich auf Mandanten beruhigend aus, weshalb er ihn auch nicht entfernte.
    Es gab noch drei weitere Fotos: Das erste war ein gestelltes Porträt von ihm selbst mit einundzwanzig, kurz nach seinem Abschluss an der Ecole Nationale d'Administration in Paris, wie er gerade Jean-Marie Le Pen, dem Kopf der Front National, die Hand schüttelt. Das zweite war in Santiago di Compostela aufgenommen worden. Das dritte, im letzten Jahr entstanden, zeigte ihn mit dem Abt von Citeaux und anderen auf einem Empfang anlässlich von Authié s jüngster und großzügigster Spende an die Gesellschaft Jesu.
    Jedes Foto erinnerte ihn daran, wie weit er es gebracht hatte. Die Sprechanlage auf seinem Schreibtisch summte. »Oni?« Seine Sekretärin teilte ihm mit, dass sein Besuch eingetroffen sei. »Die beiden sollen hochkommen.«
    Javier Domingo und Cyrille Braissart waren Expolizisten. Brais- sart war 1999 wegen unangemessener Brutalität bei der Vernehmung eines Verdächtigen entlassen worden, Domingo ein Jahr darauf, weil man ihm die Anwendung von Einschüchterungsmethoden und Bestechlichkeit nach weisen konnte. Die Tatsache, dass keiner von beiden ins Gefängnis musste, verdankten sie Authié s anwaltlichem Können. Seitdem arbeiteten sie für ihn. »Und?«, sagte er, als sie eintraten. »Wenn ihr eine Erklärung habt, dann wäre jetzt der Moment gekommen, damit rauszurücken.« Sie schlossen die Tür und blieben schweigend vor seinem Schreibtisch stehen. »Nein? Nichts zu sagen?« Er stieß mit dem ausgestreckten Zeigefinger in die Luft. »Dann rate ich euch dringend zu beten, dass Biau nicht aufwacht und sich erinnert, wer den Wagen gefahren hat.«
    »Das wird er nicht, Sir.«
    »Sind Sie jetzt auf einmal Arzt, Braissart?«
    »Sein Zustand hat sich im Laufe des Tages

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