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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Guirande war zwar sicher, dass ihre Schwester mal wieder bei ihrem Vater war, aber Oriane wollte vorsichtig sein. »Sörre?«
    Als keine Antwort kam, öffnete Oriane die Tür und trat ein. Mit der Geschicklichkeit einer Diebin durchsuchte sie rasch Alaïs ' Habe. Flaschen, Krüge und Schüsseln, den Kleiderschrank, Schubladen mit Gewändern und Parfüms und wohlriechenden Kräutern. Oriane klopfte die Kissen ab und fand ein Lavendelsäckchen, das sie nicht interessierte. Dann sah sie unter dem Bett nach. Da war nichts zu sehen außer toten Insekten und Spinnweben.
    Als sie sich wieder umwandte und den Blick durchs Zimmer gleiten ließ, fiel ihr ein schwerer brauner Jagdmantel auf, der über der Lehne von Alaïs ' Nähstuhl hing. Auf dem Tisch lag ihr Nähzeug. Oriane durchfuhr ein aufgeregtes Kribbeln. Warum ein Wintermantel in dieser Jahreszeit? Warum flickte Alaïs ihre Kleidung selbst?
    Sie hob ihn auf und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Der Mantel hing ungleichmäßig herab. Oriane hob eine Ecke an und sah, dass etwas in den Saum eingenäht worden war.
    Rasch trennte sie die Stiche auf, schob die Finger hinein und zog einen kleinen, rechteckigen Gegenstand hervor, der in Leinen eingeschlagen war.
    Sie wollte gerade nachsehen, was es war, als ein Geräusch draußen auf dem Gang sie aufschreckte. Blitzschnell verbarg Oriane das Päckchen unter ihrem Gewand und legte den Mantel zurück auf die Stuhllehne.
    Eine Hand legte sich schwer auf ihre Schulter. Oriane fuhr zusammen.
    »Was zum Teufel macht Ihr hier?«, sagte er.
    »Guilhem?«, keuchte sie und fasste sich mit der Hand an den Hals. »Ihr habt mich erschreckt.«
    »Was tut Ihr im Gemach meiner Frau, Oriane?«
    Oriane hob das Kinn. »Dieselbe Frage könnte ich Euch stellen.« In dem dunkler werdenden Raum sah sie, dass seine Miene sich verfinsterte, und wusste, dass der Hieb gesessen hatte.
    »Ich habe ein Recht, hier zu sein, Ihr dagegen nicht...« Er blickte zu dem Mantel hinüber, dann wieder in ihr Gesicht.
    »Was macht Ihr hier?«
    Sie hielt seinem Blick stand. »Nichts, was Euch etwas anginge.« Guilhem trat die Tür mit dem Absatz zu.
    »Ihr vergesst Euch«, zischte er und packte ihr Handgelenk. »Seid kein Narr, Guilhem«, sagte sie mit leiser Stimme. »Öffnet die Tür. Es wäre für uns beide schlecht, wenn jemand hereinkommt und uns hier gemeinsam antrifft.«
    »Spielt keine Spielchen mit mir, Oriane. Ich bin nicht dazu aufgelegt. Und ich lasse Euch erst gehen, wenn Ihr mir verraten habt, was Ihr hier wollt. Hat er Euch hergeschickt?«
    Oriane sah ihn ehrlich verwirrt an. »Ich weiß nicht, wovon Ihr redet, Guilhem, ich gebe Euch mein Wort.«
    Seine Finger gruben sich tief in ihre Haut. »Habt Ihr gedacht, ich würde es nicht merken, e? Ich habe Euch zusammen gesehen, Oriane.«
    Erleichterung durchströmte sie. Jetzt verstand sie den Grund für seinen Zorn. Falls Guilhem ihren Begleiter nicht erkannt hatte, konnte sie das Missverständnis zu ihrem Vorteil nutzen.
    »Lasst mich los«, sagte sie und versuchte sich seinem Griff zu entwinden. »Erinnert Euch, Messire, Ihr wart es, der gesagt hat, wir könnten uns nicht mehr sehen.« Sie warf das schwarze Haar zurück und funkelte ihn aus blitzenden Augen an. »Wenn ich also beschließe, mir anderswo Trost zu suchen, was geht es Euch an? Ihr habt kein Anrecht auf mich.«
    »Wer ist er?«
    Oriane überlegte fieberhaft. Sie brauchte einen Namen, der ihm glaubhaft erschien. »Zuerst müsst Ihr mir versprechen, nichts Unbesonnenes zu tun«, flehte sie, um Zeit zu schinden.
    »Im Augenblick, hohe Dame, seid Ihr nicht in der Lage, Bedingungen zu stellen.«
    »Dann lasst uns wenigstens woanders hingehen, in mein Gemach, den Hof, irgendwohin, nur hier weg. Wenn Alaïs kommt...«
    Sie konnte ihm am Gesicht ablesen, dass sie seinen wunden Punkt getroffen hatte. Seine größte Angst war nun, dass Alaïs seine Untreue entdecken könnte.
    »Also gut«, sagte er barsch. Er riss die Tür mit der freien Hand auf und zerrte sie dann über den Gang. Als sie ihr Gemach erreichten, war Orianes Geistesgegenwart bereits zurückgekehrt. »Und nun sprecht«, befahl er.
    Den Blick unverwandt auf den Boden gerichtet, gestand Oriane, dass sie die Aufmerksamkeiten eines neuen Freiers angenommen hatte. Er war der Sohn eines Verbündeten des Vicomte und hatte sie schon lange verehrt.
    »Ist das die Wahrheit?«, fragte Guilhem.
    »Ich schwöre es, bei meinem Leben«, flüsterte sie und blickte durch tränennasse Wimpern

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