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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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hatte.
    Und ohne es sich erklären zu können, spürte Alice, dass sie die Antwort wusste. Sie war sich sicher. Sie lächelte und gab ihm die Gewissheit, die er brauchte.
    »Er wird nicht kommen«, hauchte sie.
    »Worauf warten Sie noch?«, rief Marie-Cecile.
    Audric trat vor.
    »Man muss alle drei Papyri zusammen nehmen«, sagte er, »und sie dann vor die Flamme schieben.«
    »Nun machen Sie schon.«
    Alice sah, wie er die drei durchscheinenden Seiten in einer bestimmten Reihenfolge anordnete und sie dann behutsam in den Schlitz schob. Zuerst begann die Flamme in der Nische zu spucken und schien fast zu erlöschen. Die Höhle wurde sehr dunkel.
    Doch dann, als ihre Augen sich an die tiefere Dunkelheit gewöhnten, bemerkte Alice, dass jetzt nur noch eine Hand voll Hieroglyphen zu sehen war, die in einem Helldunkelmuster leuchteten, das den Linien des Labyrinths folgte. Alles Überflüssige war abgedeckt. »Dai Anch dschet...« In ihrem Kopf waren die Worte ganz klar. »Dai Anch dschet«, sagte sie laut, dann den Rest des Satzes, und übersetzte dabei im Stillen die uralten Worte, die sie aussprach.
    »Am Anbeginn der Zeit, im Lande Ägypten, schenkte der Herr der Geheimnisse Wörter und Schriften. Schenkte Leben.« Marie-Cecile drehte sich zu Alice um.
    »Du hast die Worte gelesen«, sagte sie, kam mit ausladenden Schritten auf sie zu und packte ihren Arm. »Woher weißt du, was sie bedeuten?«
    »Ich weiß es nicht. Keine Ahnung.«
    Alice wollte sich losreißen, doch Marie-Cecile zog sie auf die Messerspitze zu, die jetzt so nah war, dass Alice die braunen Flecke auf der alten Klinge sehen konnte. Ihre Augen schlossen sich, und sie wiederholte den Satz.
    »Dai Anch dschet...«
     
    Plötzlich ging alles ganz schnell.
    Audric warf sich auf Marie-Cecile.
    »Maman!«
    Fran c ois-Baptiste achtete einen Moment nicht auf Will, der die Gelegenheit nutzte. Er holte mit einem Bein aus und trat seinen Bewacher so fest ins Kreuz, dass er nach vorn stürzte. Vor Schreck feuerte Fran c ois-Baptiste einen Schuss mit seiner Pistole ab, der ohrenbetäubend in dem engen Raum hallte. Alice hörte, wie die Kugel gegen die Felsendecke prallte und als Querschläger durch die Höhle zischte.
    Marie-Cecile riss die Hand an die Schläfe. Alice sah Blut zwischen ihren Fingern hervorquellen. Sie schwankte einen Moment, dann brach sie zusammen.
    »Maman!« Fran c ois-Baptiste war wieder aufgesprungen und lief zu seiner Mutter. Die Pistole schlitterte über den Boden von ihm weg bis vor den Altar.
    Audric nahm sich Marie-Ceciles Messer und schnitt Will mit erstaunlicher Kraft die Fesseln durch, dann drückte er ihm das Messer in die Hand.
    »Schneiden Sie Alice los.«
    Will hörte nicht auf ihn, sondern stürmte zu Fran c ois-Baptiste hinüber, der auf den Knien lag und Marie-Cécile in den Armen wiegte.
    »Non, maman. Ne t'en vas pas. Ecoute-moi, maman, réveille- toi.«
    Will packte den jungen Mann an den Schultern, riss ihn um und rammte seinen Kopf auf den rauen Steinboden. Dann lief er zu Alice und schnitt den Strick durch, mit dem sie gefesselt war.
    »Ist sie tot?«
    »Keine Ahnung.«
    »Was ist mit ... «
    Er küsste sie unverhofft auf den Mund, dann zog er den Strick von ihren Händen.
    »François-Baptiste ist vorerst außer Gefecht. Wir haben genügend Zeit, hier rauszukommen«, sagte er.
    »Hol Shelagh, Will«, sagte sie und deutete hektisch mit der Hand. »Ich helfe Audric.«
    Will hob Shelaghs ausgezehrten Körper hoch und trug sie Richtung Tunnel. Alice lief zu Audric.
    »Die Bücher«, sagte sie drängend. »Wir müssen sie wegschaffen, ehe die beiden zu sich kommen.«
    Er stand da und blickte auf die reglosen Körper von Marie-Cécile und ihrem Sohn.
    »Audric, schnell«, beschwor Alice ihn. »Wir müssen hier raus.«
    »Es war nicht richtig, dass ich Sie in diese Sache mit hineingezogen habe«, sagte er leise. »Mein Wunsch, endlich zu wissen, ein Versprechen zu erfüllen, das ich einst gab und nicht halten konnte, hat mich für andere Einsichten blind gemacht. Ich war selbstsüchtig. Habe zu sehr an mich gedacht.«
    Audric legte die Hand auf eines der Bücher.
    »Sie haben gefragt, warum sie es nicht vernichtet hat«, sagte er unvermittelt. »Die Antwort ist, weil ich sie beschworen habe, es nicht zu tun. Also mussten wir uns einen Plan ausdenken, um Oriane zu täuschen. Nur deshalb sind wir in die Kammer zurückgekehrt. Der Kreislauf von Sterben und Aufopferung ging weiter. Wenn das nicht gewesen wäre, vielleicht wäre

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