Das Verlorene Labyrinth
hoch zu dem Wappen über seinem Kopf, dann wieder zurück zu Pelletier. Einen Moment lang sahen sie sich in die Augen.
»Gebt Congost Bescheid«, sagte er.
Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung eilte Pelletier zu dem escrivain, der sich am Schreibpult gerade die steifen Finger massierte. Congosts Kopf schnellte hoch, aber er sagte nichts, als er nach seiner Feder griff, um die endgültige Entscheidung des Rates schriftlich festzuhalten.
Zum letzten Mal erhob sich Raymond-Roger Trencavel.
»Ehe ich meine Entscheidung verkünde, möchte ich euch allen danken. Ihr Herren von Carcasses, Razes, Albigeois und den Gebieten jenseits davon. Ich achte eure Stärke, eure Tapferkeit und eure Treue. Wir haben lange Stunden geredet, und ihr habt viel Geduld und Eifer bewiesen. Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Wir sind die unschuldigen Opfer eines Krieges, der nicht unser Werk ist. Was ich zu sagen habe, wird einige von euch enttäuschen, andere freuen. Ich hoffe, dass wir alle mit Gottes Hilfe und Gnade den Mut finden, zueinander zu stehen.«
Er richtete sich zu voller Größe auf. »Für unser aller Wohl - und für die Sicherheit unseres Volkes - werde ich meinen Onkel und Lehnsherrn Raymond, Comte von Toulouse, um eine Audienz bitten. Wir wissen nicht, was daraus wird. Es ist nicht einmal sicher, ob mein Onkel bereit ist, mich zu empfangen, und die Zeit arbeitet gegen uns. Daher ist es wichtig, dass wir unsere Absichten geheim halten. Gerüchte verbreiten sich schnell, und wenn unser Vorhaben meinem Onkel zu Ohren kommt, könnte das unsere Verhandlungsposition schwächen. Daher werden die Turniervorbereitungen wie geplant fortgesetzt. Mein Ziel ist es, noch vor dem Festtag zurückzukehren, hoffentlich mit guten Neuigkeiten.« Er schwieg kurz, dann sprach er weiter. »Ich werde morgen bei Tagesanbruch aufbrechen, in Begleitung einer kleinen Eskorte chevaliers und, mit eurer Erlaubnis, Vertretern des großen Hauses Cabaret sowie Minerve, Foix, Quillan ...« »Mein Schwert gehört Euch, Messire«, rief ein chevalier. »Und meines auch«, schrie ein anderer. Einer nach dem anderen fielen die Männer im Saal auf die Knie.
Lächelnd hob Trencavel die Hand.
»Euer Mut, eure Tapferkeit, ehren uns alle«, sagte er. »Mein Haushofmeister wird diejenigen verständigen, deren Dienste benötigt werden. Jetzt jedoch, meine Freunde, bitte ich euch, mich zu entschuldigen. Ich schlage vor, jeder kehrt in seine Unterkunft zurück und ruht sich aus. Wir sehen uns an der Abendtafel wieder.«
In der allgemeinen Unruhe, die entstand, als Vicomte Trencavel die Halle verließ, bemerkte niemand eine einsame Gestalt in einem blauen Kapuzenmantel, die aus einer dunklen Ecke trat und durch die Tür nach draußen schlüpfte.
Kapitel 8
D ie Vesperglocke war längst verstummt, als Pelletier endlich aus dem Tour Pinte trat.
Er spürte jedes einzelne seiner zweiundfünfzig Jahre, als er den Vorhang beiseite hob und zurück in den Großen Saal ging. Mit müden Händen rieb er sich die Schläfen, um das unaufhörliche Hämmern in seinem Kopf zu lindern.
Vicomte Trencavel hatte im Anschluss an die Versammlung noch stundenlang mit seinen stärksten Verbündeten erörtert, wie man sich dem Comte von Toulouse am besten nähern sollte. Sie hatten etliche Entscheidungen gefällt, und Boten waren aus dem Chateau Comtal galoppiert, um Briefe nicht nur zu Raymond VI. zu bringen, sondern auch zu den päpstlichen Legaten, dem Abt von Citeaux und Trencavels Consuln und viguiers in Beziers. Die chevaliers, die den Vicomte begleiten sollten, waren in Kenntnis gesetzt worden. In den Ställen und in der Schmiede liefen bereits Vorbereitungen, die noch bis spät in die Nacht dauern würden.
Es lag eine gedämpfte, aber erwartungsvolle Stille im Saal. Da man am nächsten Morgen schon in aller Frühe aufbrechen würde, sollte statt des geplanten Banketts ein zwangloseres Abendessen stattfinden. Tischplatten waren in langen Reihen aufgebockt worden, die quer durch den Raum von Norden nach Süden verliefen. Es gab keine Tischtücher, aber in der Mitte jedes Tisches flackerten schummrige Kerzen. In den Halterungen hoch an der Wand loderten bereits die Fackeln und ließen die Schatten tanzen und springen.
Am hinteren Ende des Raumes gingen Diener ein und aus. Sie trugen Platten herein, die eher üppig als festlich waren. Hirsch- und anderes Wildbret, Hähnchenschenkel mit spanischem Pfeffer, Tonschüsseln mit Bohnen und Wurst und frisch gebackenem weißen Brot,
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