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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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in Honig gedämpfte dunkelblaue Pflaumen, hellroter Wein aus den Weinbergen der Corbières und Krüge mit Bier für alle, die nicht so viel vertrugen.
    Pelletier nickte beifällig. Er war zufrieden. In seiner Abwesenheit hatte François ihn gut vertreten. Alles sah so aus, wie es aussehen sollte, und bot das richtige Maß an Höflichkeit und Gastlichkeit, wie es die Gäste des Vicomte Trencavel mit Recht erwarten konnten.
    François war ein guter Diener, trotz seines unglücklichen Einstiegs in das Leben. Seine Mutter hatte im Dienst von Pelletiers französischer Frau Marguerite gestanden und war als Diebin gehenkt worden, als François noch ein Kind war. Sein Vater war unbekannt. Als Pelletiers Frau vor neun Jahren gestorben war, hatte er sich François' angenommen, ihn ausgebildet und als Diener eingestellt. Von Zeit zu Zeit gönnte er sich einen gewissen Stolz darauf, wie gut François sich entwickelt hatte.
    Pelletier trat hinaus in den Cour d'Honneur. Hier war die Luft kühl, und er blieb einen Augenblick im Eingang stehen. Kinder tollten um den Brunnen, ernteten dann und wann von ihren Kinderfrauen einen Klaps auf die Beine, wenn sie zu ausgelassen wurden. Ältere Mädchen, die Arme eingehakt, schlenderten im Zwielicht umher, plauderten, flüsterten einander Geheimnisse zu.
    Den kleinen dunkelhaarigen Jungen, der im Schneidersitz an der Kapelle vor der Mauer saß, bemerkte er zunächst gar nicht.
    » Messire! Messire!«, rief der Junge und sprang auf. »Ich habe etwas für Euch.«
    Pelletier achtete nicht auf ihn. »Messire.« Der Junge gab nicht auf und zupfte ihn sogar am Ärmel, um auf sich aufmerksam zu machen. »Intendant Pelletier, bitte. Wichtig.«
    Er spürte, wie etwas in seine Hand geschoben wurde. Als er gereizt nach unten blickte, sah er, dass es ein Brief war, geschrieben auf dickem, cremefarbenem Pergament. Auf der Vorderseite stand sein Name in einer altvertrauten, unverwechselbaren Handschrift. Pelletier hatte sich eingeredet, dass er sie nie Wiedersehen würde.
    Er packte den Jungen beim Nacken. »Woher hast du den Brief?«, fragte er beschwörend und schüttelte ihn grob. »Sprich.« Der Junge zappelte wie ein Fisch am Haken, versuchte sich loszureißen. »Sag schon. Sofort.«
    »Den hat mir ein Mann am Tor gegeben«, wimmerte der Kleine. »Tut mir nicht weh. Ich habe nichts getan.«
    Pelletier schüttelte ihn noch fester. »Was für ein Mann?«
    »Ein Mann eben.«
    »So einfach kommst du mir nicht davon«, schnauzte Pelletier ihn an, und seine Stimme wurde lauter. »Du kannst dir einen soi verdienen, wenn du mir sagst, was ich wissen will. War der Mann jung? Alt? War es ein Soldat?« Er stockte. »Ein Jude?«
    Er schoss Frage um Frage ab, bis er dem Jungen, er hieß Pons, alles aus der Nase gezogen hatte. Viel war es nicht. Pons erzählte, dass er mit seinen Freunden in dem Graben vom Château Comtal gespielt hatte. Sie wollten von einer Seite der Brücke zur anderen gelangen, ohne von den Wachen erwischt zu werden. Als es anfing zu dämmern, hatte ein Mann sie angesprochen und gefragt, ob einer von ihnen den Intendant Pelletier vom Sehen kenne. Pons hatte bejaht, und der Mann hatte ihm einen soi dafür gegeben, dass er den Brief überbrachte. Er hatte gesagt, es sei sehr wichtig und sehr dringend.
    Der Mann hatte nichts Auffälliges an sich gehabt. Er war mittleren Alters, weder jung noch alt. Seine Haare und seine Haut waren nicht besonders dunkel und auch nicht besonders hell. Ihm war nicht aufgefallen, ob der Mann einen Ring trug, weil seine Hände unter dem Mantel versteckt gewesen waren.
    Als Pelletier endlich überzeugt war, dass aus dem Jungen nicht mehr herauszuholen war, griff er in seinen Geldbeutel und gab ihm eine Münze.
    »Hier. Das ist für deine Mühe. Und nun geh.«
    Das ließ sich Pons nicht zweimal sagen. Er rannte davon, so schnell ihn seine Beine trugen.
     
    Pelletier ging wieder hinein, den Brief fest an die Brust gedrückt. Er bemerkte niemanden, als er durch den Gang eilte, der zu seinem Gemach führte.
    Die Tür war verschlossen. Pelletier verfluchte seine eigene Vorsicht, als er vor lauter Hast den Schlüssel nicht gleich ins Schloss bekam. François hatte die calèlhs angezündet, die Öllampen, und ihm wie jeden Abend für die Nacht ein Tablett mit einem Krug Wein und zwei Tonbechern auf den Tisch in der Mitte des Raumes gestellt. Das glänzend polierte Messingtablett schimmerte in dem flackernden goldenen Licht.
    Pelletier goss sich einen Becher ein, um seine

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