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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Cite begleitet hatte, allmählich von Befürchtungen verdrängt wurde.
    Die Sonne stieg unaufhaltsam höher. Den Kirchenmännern in ihren schwarzen Kammgarnkutten machte die Hitze am meisten zu schaffen. Dem Bischof rann der Schweiß von der Stirn. Jehan Congosts schwammiges Gesicht hatte einen unansehnlichen, fleckigen Rotton angenommen, die Farbe von Fingerhutblüten. Bienen, Heuschrecken und Zikaden summten und zirpten im braunen Gras. Mücken attackierten Knöchel und Hände der Reiter, und Fliegen peinigten die Pferde, die gereizt mit Mähne und Schwanz zuckten.
    Erst als die Sonne hoch über ihne n stand, führte Vicomte Trenca vel sie von der Straße weg, um eine Weile zu rasten. Sie ließen sich auf einer Lichtung neben einem gemächlich dahinplätschernden Bach nieder, nachdem sie sich vergewissert hatten, dass die Pferde ungefährdet grasen konnten. Die ecuyers sattelten die Tiere ab und kühlten ihnen das Fell mit in Wasser getauchten Weidenblättern. Kratzer und Bisse wurden mit Ampferblättern oder Senfbreiumschlägen behandelt.
    Die chevaliers entledigten sich ihrer Reiserüstung und Stiefel, wuschen sich Staub und Schweiß von Händen und Hals. Eine kleine Gruppe Diener wurde zum nächstgelegenen Bauernhof geschickt und kehrte einige Zeit später mit Brot und Wurst, weißem Ziegenkäse, Oliven und dem kräftigen Wein der Gegend zurück.
    Als sich die Neuigkeit herumsprach, dass Vicomte Trencavel ganz in der Nähe Rast machte, strömten Bauern und Landarbeiter, alte Männer und junge Frauen, Weber und Brauer zu dem bescheidenen Lager unter den Bäumen und brachten ihrem seigneur Geschenke: Körbe mit Kirschen und frisch gefallenen Pflaumen, eine Gans, Salz und Fisch.
    Pelletier war nicht ganz wohl dabei. Es hielt sie nur auf, und sie verloren kostbare Zeit. Sie mussten noch ein gutes Stück Weg hinter sich bringen, bevor die Abendschatten länger wurden und sie das Nachtlager aufschlugen. Aber wie schon sein Vater und seine Mutter vor ihm genoss Raymond-Roger die Begegnungen mit seinen Untertanen und wollte niemanden abweisen. »Schließlich schlucken wir genau dafür unseren Stolz herunter und versuchen mit meinem Onkel Frieden zu schließen«, sagte er leise. »Um all das zu bewahren, das an unserer Lebensart gut und unschuldig und wahrhaftig ist, e? Und notfalls werden wir dafür kämpfen.«
    Wie ein Kriegerkönig aus alter Zeit hielt Vicomte Trencavel im Schatten der Steineichen Hof. Er nahm alle Gaben, die ihm gebracht wurden, bereitwillig und würdevoll entgegen. Er wusste, dass die Leute noch oft von diesem Tag erzählen würden, dass die Geschichte Teil des Dorflebens werden würde.
    Fast ganz zum Schluss kam ein hübsches, dunkelhäutiges Mädchen von fünf oder sechs Jahren mit leuchtenden Augen, die die Farbe von Brombeeren hatten, auf ihn zu, machte einen kurzen Knicks und reichte ihm einen Blumenstrauß aus wilden Orchideen, weißer Schafgarbe und Geißblatt. Die Hände der Kleinen zitterten.
    Vicomte Trencavel beugte sich zu ihr herab, zog ein Leinentaschentuch aus seinem Gürtel und hielt es ihr hin. Selbst Pelletier lächelte, als die Fingerchen schüchtern Zugriffen und das frische weiße Stoffstück nahmen.
    »Und wie heißt Ihr, Madomaisela?«, fragte er.
    »Ernistine, Messire «, wisperte sie. Trencavel nickte. »Nun, Madomaisela Ernistine«, sagte er, zupfte eine rosa Blüte aus dem Blumenstrauß und befestigte sie an seiner Tunika. »Das hier werde ich tragen, damit es mir Glück bringt. Und mich an die Freundlichkeit der Menschen von Puicheric erinnert.«
    Erst als auch der letzte Besucher gegangen war, legte Raymond- Roger Trencavel sein Schwert ab und setzte sich zum Essen. Sobald sie ihren Hunger gestillt hatten, streckten sich nacheinander alle Männer und Jungen auf dem weichen Gras aus oder lehnten sich gegen den Stamm eines Baumes und dösten vor sich hin, den Bauch voller Wein und den Kopf schläfrig von der Nachmittagshitze.
    Nur Pelletier suchte keine Ruhe. Als er sicher war, dass Vicomte Trencavel ihn vorläufig nicht brauchen würde, machte er einen Spaziergang am Bach, suchte die Einsamkeit.
    Wasserläufer flitzten über das Wasser, und bunte Libellen surrten schimmernd über die Oberfläche, schossen hin und her, durchschnitten die drückende Luft.
    Sobald er außer Sichtweite des Lagers war, setzte sich Pelletier auf den geschwärzten Stamm eines umgestürzten Baumes und holte Harifs Brief aus der Tasche. Er las ihn nicht. Er öffnete ihn nicht einmal, sondern hielt

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