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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Trencavel ritt seinen Lieblingshengst, einen Braunen, den er schon als Fohlen bekommen und selbst zugeritten hatte. Sein Fell hatte die Farbe eines Fuchses im Winter, und auf der Nase hatte er eine unverkennbare Blesse, die, so hieß es zumindest, haargenau die Form der Trencavel-Ländereien hatte.
    Auf den Schilden prangte das Trencavel-Zeichen. Die Fahnen und die Gewänder, die die chevaliers über ihrer Reiserüstung trugen, waren mit dem Wappen bestickt. Die aufgehende Sonne blitzte auf glänzenden Helmen, Schwertern und Zaumzeug. Sogar die Satteltaschen der Packpferde waren so lange gewienert worden, bis die Reitknechte sich im Leder spiegelten.
    Die Entscheidung, wie groß der envoi sein sollte, hatte einige Zeit in Anspruch genommen. War er zu klein, würde Trencavel wie ein unwürdiger und wenig beeindruckender Verbündeter aussehen, und sie wären unterwegs leichte Beute. War er zu groß, würde das wie eine Kriegserklärung wirken.
    Schließlich waren sechzehn chevaliers ausgewählt worden, darunter auch, trotz Pelletiers Bedenken, Guilhem du Mas. Zusammen mit ihren écuyers, einer Hand voll Dienern und Kirchenmännern, Jehan Congost und einem Schmied, der die Hufbeschläge der Pferde unterwegs ausbessern konnte, waren sie alles in allem rund dreißig Mann.
    Ihr Ziel war Montpellier, die wichtigste Stadt im Herrschaftsgebiet des Vicomte von Nîmes und der Geburtsort von Raymond- Rogers Gemahlin, Dame Agnès. Wie Trencavel so war auch Nîmes ein Vasall des Königs von Aragon, Pedro II., daher durften sie auf eine unbehelligte Reise hoffen, obwohl Montpellier eine katholische Stadt war und Pedro selbst ein standhafter und resoluter Gegner der Häresie.
    Sie hatten einen Dreitagesritt von Carcassonne aus veranschlagt. Ungewiss war, wer von beiden zuerst in der Stadt ein- treffen würde, Trencavel oder der Comte von Toulouse.
     
    Zunächst ritten sie in östlicher Richtung an der Aude entlang der aufgehenden Sonne entgegen. Bei Trèbes schwenkten sie nach Nordwesten in das Gebiet des Minervois und folgten der alten Römerstraße, die durch La Redorte, die befestigte Hügelstadt Azille und weiter nach Olonzac führte.
    Der beste Boden war den canabières überlassen, den Hanffeldern, die sich vor ihnen erstreckten, so weit das Auge reichte. Rechter Hand waren Rebstöcke, manche gepflegt, andere wuchsen wild am Wegesrand hinter kräftigen Hecken. Linker Hand lag ein Meer aus smaragdgrünen Gerstenhalmen, die sich bis zur Erntezeit golden färben würden. Schon jetzt schufteten die Bauern unter breitkrempigen Strohhüten, die ihre Gesichter beschatteten, und schnitten den letzten Weizen. Hin und wieder warfen die eisernen Sicheln ihrer Sensen das Sonnenlicht zurück.
    Jenseits des Flussufers, das von Eichen und Sumpfweiden gesäumt wurde, lagen die tiefen und stillen Wälder, wo wilde Adler jagten. Dort tummelten sich Hirsche, Luchse und Bären in Hülle und Fülle und im Winter auch Wölfe und Füchse. Über die Wälder und Gehölze des Tieflandes erhob sich der dunkle Forst der Montagne Noire, in dem der wilde Eber König war.
    Vicomte Trencavel besaß die Unverwüstlichkeit und den Optimismus der Jugend. Er war gut aufgelegt, gab Anekdoten zum Besten und lauschte den Erzählungen vergangener Ruhmestaten. Er erörterte mit seinen Männern die Frage, welches die besseren Jagdhunde seien, Windhunde oder Mastiffs, sprach über den derzeitigen Preis einer guten Hündin für die Zucht und tratschte sogar, wer beim Bogenschießen oder Würfeln welche Einsätze gemacht hatte.
    Niemand sprach über den Zweck ihrer Mission oder darüber, was passieren würde, falls der Vicomte bei seinem Onkel kein Gehör fand.
    Ein heiserer Schrei von hinten ließ Pelletier aufmerken. Er warf einen Blick über die Schulter. Guilhem du Mas ritt Seite an Seite mit Alzeu de Preixan und Thierry Cazanon, chevaliers, die ebenfalls in Carcassonne ausgebildet und während desselben Osterfestes zum Ritter geschlagen worden waren.
    Guilhem bemerkte den kritischen Blick des älteren Mannes und hob den Kopf, um ihm dreist in die Augen zu sehen. Beide starrten einander kurz an. Dann neigte der Jüngere leicht den Kopf, eine unaufrichtige Anerkennung, und sah weg. Pelletier spürte, wie sein Blut anfing zu kochen, doch am schlimmsten war die Einsicht, dass ihm die Hände gebunden waren.
    Stunde um Stunde ritten sie durch das flache Land. Die Gespräche gerieten ins Stocken und verstummten dann ganz, als die Begeisterung, die ihren Aufbruch aus der

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