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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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drang, schlief sie endlich ein.
     
    Diesmal war es ein anderer Traum.
    Sie ritt auf einer Fuchsstute durch den Schnee. Das Winterfell des Pferdes war dicht und glänzend, und in die helle Mähne und den Schwanz waren rote Bänder eingeflochten. Sie trug Jagdkleidung, ihre beste pelisse mit Eichhörnchenfell und Kapuze, und lange Lederhandschuhe, die ihr bis zu den Ellbogen reichten und mit Marderfell gefüttert waren.
    Neben ihr ritt ein Mann auf einem grauen Wallach, ein größeres, kräftigeres Ross mit schwarzer Mähne und schwarzem Schwanz. Er zerrte immer wieder am Zügel, um es zu bändigen. Sein braunes Haar war lang für einen Mann, reichte ihm bis auf die Schultern. Sein blauer Samtmantel flatterte hinter ihm her, während er sein Pferd weitertrieb. Alice sah, dass er einen Dolch am Gürtel trug. Um den Hals hatte er eine Silberkette mit einem einzelnen grünen Stein darin, der ihm im Rhythmus des Pferdes gegen die Brust wippte.
    Immer wieder schaute er zu ihr herüber, und in seinem Blick lag Besitzerstolz. Die Verbindung zwischen ihnen war stark und innig. Im Schlaf regte Alice sich und lächelte.
    Irgendwo in der Ferne ertönte ein Jagdhorn, schneidend und schrill in der frischen Dezemberluft, und verkündete, dass die Hunde die Fährte eines Wolfes verfolgten. Sie wusste, es war Dezember, ein besonderer Monat. Sie wusste, sie war glücklich. Dann veränderte sich das Licht.
    Jetzt war sie allein in einem Teil des Waldes, den sie nicht kannte. Die Bäume standen höher und dichter, die kahlen Äste hoben sich schwarz und verbogen wie Leichenfinger vor dem weißen, schneeschweren Himmel ab. Irgendwo hinter ihr kamen die Hunde näher, unbemerkt und bedrohlich, angelockt von der Hoffnung auf Blut.
    Sie war keine Jägerin mehr, sondern die Beute.
    Durch den Wald dröhnte das Donnern von tausend Hufen, die näher und näher kamen. Jetzt konnte sie schon die Rufe der Jäger hören. Sie verständigten sich in einer Sprache, die sie nicht verstand, aber sie wusste, dass sie nach ihr suchten.
    Ihr Pferd strauchelte. Alice wurde aus dem Sattel geschleudert und stürzte auf die harte winterliche Erde. Sie hörte den Knochen in ihrer Schulter brechen, dann kam der sengende Schmerz. Entsetzt sah sie nach unten. Ein Stück altes, steifgefrorenes Holz, das aussah wie eine Pfeilspitze, hatte sich durch den Ärmel in ihren Arm gebohrt.
    Mit tauben und zittrigen Fingern, die Augen vor Schmerzen fest geschlossen, zog Alice das Stück Holz behutsam heraus. Sofort strömte das Blut, aber davon konnte sie sich nicht aufhalten lassen.
    Alice rappelte sich hoch, stillte die Blutung mit dem Saum ihres Mantels und kämpfte sich weiter durch die kahlen Äste und das harte Unterholz hindurch. Die spröden Zweige knackten unter ihren Füßen, und von der eiskalten Luft, die ihr in die Wangen kniff, tränten ihr die Augen.
    Das Klingeln in ihren Ohren wurde jetzt lauter, nachdrücklicher, und sie fühlte sich schwach. Körperlos wie ein Geist. Plötzlich war der Wald verschwunden, und Alice stand am Rand einer Klippe. Sie konnte nirgends mehr hin. Zu ihren Füßen ging es im freien Fall nach unten in einen waldigen Abgrund. Vor ihr erstreckten sich schneebedeckte Berge, so weit das Auge reichte. Sie waren so nah, dass sie das Gefühl hatte, sie könnte die Hand ausstrecken und sie berühren.
    Alice bewegte sich unruhig im Schlaf.
    Lass mich aufwachen. Bitte.
    Sie kämpfte darum, aufzuwachen, aber sie konnte nicht. Der Traum hielt sie zu fest umfangen.
    Hinter ihr brachen die Hunde bellend und zähnefletschend aus dem Schutz der Bäume hervor. Sie stießen Atemwolken aus, wenn sie schnappten, und blutige Speichelfäden hingen von ihren Zähnen. In der einsetzenden Dämmerung glänzten die Speerspitzen der Jäger hell. Ihre Augen waren erfüllt von Hass, von Lust. Alice konnte sie flüstern hören, höhnisch, spöttisch.
    » Hérétique , hérétique.«
    In dem Sekundenbruchteil fiel die Entscheidung. Wenn sie sterben musste, dann jedenfalls nicht durch die Hände solcher Männer. Alice breitete die Arme aus und sprang, übergab ihren Körper der Luft.
    Schlagartig verstummte die Welt.
    Die Zeit verlor jede Bedeutung, während sie fiel, langsam und sanft, und ihre grünen Gewänder sich um sie aufblähten. Jetzt merkte sie, dass etwas an ihrem Rücken haftete, ein Stück Stoff in Form eines Sterns. Nein, kein Stern, sondern ein Kreuz. Ein gelbes Kreuz. Rouelle. Als das unbekannte Wort ihr in den Sinn kam und dann wieder verschwand,

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