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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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der Lage, sein Gleichgewicht zu halten. Er griff nach den Zügeln des anderen Pferds, es gelang ihm tatsächlich, sie zu halten, und dann zog er fest, aber beherrscht, um dem Tier zu signalisieren, dass es unter Kontrolle war, damit es sich wieder beruhigte.
    D’Ages Pferd reagierte, aber es verlangsamte seinen Schritt nicht. Es war jetzt Teil des riesigen Herdentiers, das sich als einheitliche Masse durch das Tal wälzte. Schließlich gelang es Miguel trotz des spürbaren Schreckens, der das Pferd erfasst hatte, es allmählich abzubremsen und zu besänftigen.
    »Nehmen Sie die Zügel!«, schrie er D’Age an, und es grenzte fast schon an ein Wunder, dass der Mann doch noch reagierte. Endlich gelang es ihm, seine Angst unter Kontrolle zu bringen.
    Miguel versuchte, Sofia inmitten des Sturms ausfindig zu machen, aber er hatte keine Chance. Er konnte nicht weiter als einige Meter in jede Richtung sehen. Er betete, wie er nicht mehr gebetet hatte, seit seine Familie umgebracht worden war. Er betete, sie möge verschont werden. Zwar hatte er kein Vertrauen mehr ins Beten, aber dennoch brachen die Ave-Marias und Bitten, Gott möge seine einziges, noch lebendes Kind retten, aus ihm hervor.
    Ohne Vorwarnung verwandelte sich der Hagelsturm in einen fürchterlichen Starkregen, der die Sicht auf kaum mehr als einen Meter einengte. Ein mächtiger Wind erhob sich, in dem das Heulen sämtlicher Höllenteufel mitdröhnte, und peitschte ihm die Wassermassen horizontal ins Gesicht. Miguel spürte, wie er von der unbarmherzigen Kraft des Sturms und den durch die Luft treibenden Wassermassen vorangestoßen wurde. Die entfesselten Kräfte der Natur jaulten und kreischten in seinen Ohren
und prügelten auf seinen Körper ein, dass es sich anfühlte, als würde er von unsichtbaren Geistern geschunden.
    Sogar das Getöse der Stampede wurde von dem losgebrochenen Sturm übertönt.
    Er suchte nach seinen Hunden, aber er konnte sie nirgendwo entdecken. Tatsächlich konnte er um sich herum kaum noch etwas erkennen.
    Er hoffte nur, dass sie einfach zurückgefallen waren, weil sie nicht so schnell laufen konnten. Sie waren gut trainiert und würden bestimmt darauf achten, nicht zertrampelt zu werden, aber trotzdem konnte er das Gefühl nackter Angst, das ihn ergriffen hatte, nicht bezwingen.
    KRACH!
    Ein gigantischer weißer Blitz aus purer elektrischer Energie bohrte sich kaum fünfzig Meter entfernt von ihm in den Boden. Er war sich ziemlich sicher, gehört zu haben, wie die feuchte Luft für den Bruchteil einer Sekunde gespalten wurde, bevor das grelle, blendende Licht die ganze Welt in ein Röntgenbild verwandelte. Der Donner dröhnte derart ohrenbetäubend, als würde der ganze Planet in seinen Grundfesten erschüttert, und die armen kleinen Kreaturen jagten in wilder Panik über das Land. Er spürte den Nachhall des lauten Knalls tief in seinem Brustkorb, als würden dort drinnen die Glocken einer Kathedrale läuten, und er krümmte sich vor Angst.
    Ein einzelnes Longhorn-Rind löste sich von der Herde und stürmte im rechten Winkel zu den anderen auf sie zu. Flossie bäumte sich auf und hätte ihn beinahe abgeworfen, aber im letzten Moment beruhigte sie sich wieder und bewegte sich um das plötzliche Hindernis herum. Er bemühte sich, seinen Körper so gut es ging an die Bewegungen des Pferdes anzupassen, und klammerte sich mit seinen Beinen fest. Er war jetzt so eng mit dem Reittier verbunden, dass er das Gefühl hatte, er könnte den Boden unter seinen Hufen spüren. Aber ihre Schritte wurden
immer unsicherer. Er schaute nach unten und bemerkte, dass ihre Hufe jede Menge Wasser aufspritzten, während sie durch das Tal schossen.
    Im gleichen Augenblick vernahm Miguel dieses Geräusch, vor dem er sich gefürchtet hatte, seit die ersten Sturmwolken am westlichen Horizont erschienen waren.
    Das grollende Rumpeln einer riesigen Masse, die nun Jagd auf sie machte. Etwas, das größer und gefährlicher war als jede Stampede.
    Eine Wand aus Wasser.
    Die Flut.

54
    New York
    Der Flug des Zweiten Bombergeschwaders der sehr klein gewordenen US Air Force war größtenteils unspektakulär. Zehn der B-52-Langstreckenbomber verließen die Whiteman Air Force Base in Missouri kurz vor Sonnenaufgang und schoben sich in eine dichte graue Masse von Regenwolken, die die Sicht kurz vor Anbruch der Dämmerung nahezu auf null reduzierten. Die Bomber stiegen über das Sturmgebiet hinauf Richtung Osten der Sonne entgegen. Der Kommandant des Geschwaders,

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