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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Sterbenden und Toten.
    Früher einmal lag das Observatorium auf dem Land, war umgeben von Seitengebäuden, Stallungen, Grünland und Feldern. Mit der Zeit schlich sich die Stadt heran und bedeckte mit jedem Jahr mehr Felder, bis sie schließlich das Grünland erreichte, das sie unter Asphalt begrub, und die Seitengebäude, die sie niederriß. Allein das Haus selbst blieb übrig, dieser große graue Würfel. Rund um das Haus errichteten sie eine kreisförmige, drei Meter hohe Mauer, eine Barrikade, eine klare Feststellung, daß die Stadt bis hierhin kam und nicht weiter. Doch die Stadt dehnte sich bis weit über unser Zuhause hinaus aus, baute noch mehr Straßen und Häuser. Und mit dem anhaltenden Wachstum der Stadt wurden die Straßen in der Nachbarschaft des Observatoriums noch breiter und noch befahrener, wurden ein ständig selbstbewußter werdender Strom, bis schließlich ein toter Flußarm entstanden war und das Observatorium zur Insel wurde. Ein Kreisverkehr, eine Verkehrsinsel, von der Stadt vergessen, aber von ihrer schnell fließenden Betriebsamkeit umspült.
    Ich stellte mir unser Zuhause oft als großen, unbehaarten alten Mann vor. Der Mann umarmt mit seinen schlaffen Armen seine runden Knie und starrt hoffnungslos hinab auf den Verkehr, auf die kleineren, modernen Gebäude in der Nachbarschaft, auf die vorbeihastenden Menschenmassen. Er seufzt schwer; er ist sich nicht ganz sicher, warum er immer noch da ist. Dem alten Mann geht es nicht gut, der alte Mann stirbt. Er leidet an unzähligen Gebrechen, seine Haut ist bleich, er hat innere Blutungen.
    Dies war unser Zuhause, und wir waren sogar leidlich glücklich, dort zu wohnen, bis ein neuer Bewohner kam.
    Das erste Gerücht über den neuen Bewohner erreichte uns in Gestalt eines kleinen Zettels am Anschlagbrett in der Eingangshalle. Dort stand:
    Wohnung 18. Wird bezogen. In einer Woche.
    Eine einfache Mitteilung, die uns gehörig Angst einjagte. Der Pförtner hatte den Zettel dort ausgehängt. Er wußte, was wir wissen wollten: Wir wollten wissen, wer es war, der Wohnung 18 beziehen sollte. Er hing den Zettel dorthin, weil er genau wußte, daß es uns völlig aus der Fassung bringen würde. Er hätte es auch einfach für sich behalten können, und wir wären eine Woche später fassungslos gewesen zu hören, wie jemand eifrig und ohne Vorankündigung sein Leben in Wohnung 18 einrichtete. Aber er warnte uns in dem Wissen, daß es uns schockieren würde. Sein einziger Beweggrund war, uns aus der Fassung zu bringen. Er wußte, daß jeder einzelne von uns sich eine Woche lang über die geheimnisvolle Person den Kopf zerbrechen würde, die in Wohnung 18 einziehen sollte, und daß er allein das Geheimnis wahren würde, da niemand jemals mit ihm sprach. Außer zu einem Zischen machte der Pförtner seinen Mund nicht auf. Der Pförtner zischte uns an, wenn wir ihm nahekamen. Dieses Zischen bedeutete Geh weg. Und wir hielten uns daran. Es war nicht angenehm, dem Zischen des Pförtners nahezukommen. Es war nicht angenehm, dem Pförtner nahezukommen. Also, selbst wenn wir uns nach dem neuen Bewohner erkundigt hätten, wäre die Antwort doch nur ein Zischen gewesen. Geh weg. Wir mußten also warten. Und mehr als alles andere hassten wir das Warten. Die Ungewißheit war schlecht für unsere angeschlagenen Seelen. Wir durften unserer Phantasie über den zukünftigen Bewohner von Wohnung 18 freien Lauf lassen, eine ganze Woche lang. Und eine ganze Woche lang lebten wir in Panik. Wir schliefen kaum noch. Wir begegneten uns vor Wohnung 18, als würden wir sofort begreifen, was für ein Mensch es war, der schon bald dort leben würde, indem wir uns einfach in diesem Teil des Gebäudes aufhielten, der uns so beunruhigte. Wenn wir uns dort sahen, wichen wir sofort beschämt zurück. Wenn wir die Wohnung betraten, während der Pförtner sie saubermachte, jagte er uns mit einem Zischen wieder hinaus. Zitternd liefen wir zu unseren eigenen Wohnungen zurück.
    Wohnung 18 diente in jener Zeit, als das Observatorium noch ein Landsitz war, als Ankleideraum und Schlafzimmer, jetzt war sie genau wie alle anderen Wohnungen im dritten Stock. Wir fanden keinerlei Anhaltspunkte. Wir wollten Dielen herausreißen, die sanitären Anlagen beschädigen, die Stromleitungen durchschneiden. Alles, um den neuen Bewohner wissen zu lassen, daß er nicht willkommen war. Das alles wollten wir, taten jedoch nichts. Gelähmt vor Panik und mit Schweißperlen auf der Stirn saßen wir allein hinter

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