Das verlorene Observatorium
und ermunterten ihn, sie zu zwicken.
Wir kamen an Geschäften vorbei, an den in unserer Stadt immer noch recht neuen Hamburger-Restaurants mit ihren sauberen Plastikschildern. Wir kamen an dem großen Supermarkt vorbei, einer von insgesamt dreien, die wir hier haben, von denen jeder eine ganze Armee erschreckend dünner, blasser Mädchen mit wasserstoffblonden Haaren beschäftigt. Welch exotische Freuden dort zu finden sind: Straußensteaks, Papayamark, ein Getränk namens »Sex am Strand«. Auf dem Weg zur Arbeit erhaschte ich an diesem Tag einen merkwürdigen Anblick, etwas Neues. Ein noch langsameres Fahrzeug als unser Bus hielt den Verkehr in der Gegenrichtung auf. Dieses Fahrzeug reinigte die Straßen. Es ist eine Tatsache, daß unsere Stadt schmutzig ist und abstoßend. Es ist eine Tatsache, daß jedes bewegte und feststehende Objekt von Staub überzogen ist. Dieses Fahrzeug nun versuchte auf seine langsame, aber systematische Art, unsere Stadt vom Schmutz zu befreien. Noch nie zuvor hatte ich ein Fahrzeug gesehen, das konstruiert war, die Straßen zu schamponieren, und aus ihren Reaktionen zu schließen, galt dies ebenfalls für die anderen Bewohner unserer Stadt. Das Fahrzeug war neu, es glänzte. Voller Staunen starrten die Menschen die Maschine an und schritten vorsichtig über die saubere Schneise, die sie hinterließ.
Nach dem Exodus an der Schule und dem Frieden kam die Bibliothek. Der Dichter und ich stiegen aus. Es gibt keine Dunkelheit, nur Unwissenheit, stand auf einem Stein über dem Portal der Bibliothek. Und beugte damit die Rücken der Menschen und sorgte dafür, daß die Optiker nicht arbeitslos wurden. In der Bibliothek ging ich zu der Tür mit der Aufschrift GENTLEMEN, denn so ein Mensch bin ich und bereitete mich hinter der abgeschlossenen Tür einer Toilettenkabine auf die Arbeit vor.
Die Arbeit
Es gibt in unserer Stadt, im Zentrum unserer Stadt, in jenem Teil unserer Stadt, der hauptsächlich von Leuten bevölkert wird, die überzähliges Geld haben, in jenem Teil unserer Stadt, den Leute, die nicht aus der Stadt kommen, höchstwahrscheinlich besuchen, einen Sockel. Der Sockel einer Statue. Der Sockel einer Statue ohne Statue. Ein Sockel einer Statue, auf dem sich einmal Buchstaben befunden hatten, welche der Statue, die einmal darauf stand, einen Namen gaben. Die Statue war verschwunden, die Buchstaben auf dem Sockel waren getilgt worden. Und genau auf diesem Sockel, im Zentrum der Stadt, arbeitete ich. Die getilgten Worte auf dem Sockel mochten vielleicht meinen Namen genannt haben, denn außer mir benutzte ihn niemand. Hätte dort mein Name gestanden, dann hätte dort gestanden: FRANCIS ORME. Welcher Natur war nun die Arbeit, mit der ich beschäftigt war, wenn ich auf diesem Sockel stand? Ich war eine Statue, ich gab vor, eine Statue zu sein. Mit dieser Tätigkeit verdiente ich genug Geld, um mich selbst zu ernähren, meine Mutter zu ernähren, meinen Vater zu ernähren und sogar, wenn ich das Bedürfnis verspürte, einen Mann namens Peter Bugg zu ernähren.
Ich trug Weiß. Wie bereits erwähnt wurde, trug ich weiße Baumwollhandschuhe. Wenn ich aber mit meiner Tätigkeit beschäftigt war, dann trug ich überall Weiß, nicht nur an den Händen. Weißes Leinen umhüllte meinen Körper, ich hatte eine weiße Lockenperücke auf, um mein nichtweißes Haar zu verbergen, eine weiße Hose, ein weißes Hemd, eine weiße Weste, eine weiße Krawatte, ein weißes Gesicht. Jeden Tag vor Arbeitsbeginn schminkte ich mir das Gesicht weiß. Ich überdeckte all die kleinen Leberflecke, Sommersprossen und die dicke Unterlippe, welche Francis Orme zu erkennen gaben. Ich stand da ohne jede Identität, eine Statue in Weiß.
Ich stand einen halben Meter über dem Boden, getragen von meinem Sockel. Unter mir befand sich eine Blechdose, in die mit fortschreitendem Tagewerk Münzen gelegt wurden. Noch eines muß erwähnt werden: In der rechten Hand hielt ich einen weißen Emailletopf. In diesem Topf befand sich ein kleiner weißer Plastikstreifen mit einem Drahtring am Ende. In diesem Topf befand sich eine Seifenlösung. Ich stand reglos da, den Topf in der Hand, die Augen geschlossen. Wenn ich eine Münze fallen hörte, öffnete ich die Augen, nahm den Plastikstreifen mit dem Drahtring am Ende aus dem Emailletopf und blies Seifenblasen in Richtung desjenigen, der mir die Münze gegeben hatte. Die Seifenblasen stellten ein Ärgernis dar, mit dem ich mich abfinden mußte. Wenn Menschen sich von Geld trennen,
Weitere Kostenlose Bücher