Das Verlorene Symbol
5 zu entfliehen und diesen hellen, sauberen Raum zu betreten.
Der ›Würfel‹ war ein massiver, fensterloser Kasten. Jeder Quadratzentimeter der Innenwände und der Decke war mit einem steifen Geflecht aus titanverkleideten Bleifasern überzogen, was dem Ganzen das Aussehen eines Käfigs in einem Betonkasten verlieh. Trennwände aus milchigem Plexiglas unterteilten den Raum in verschiedene Abteilungen – ein Labor, einen Kontrollraum, eine Werkstatt, ein Bad und eine Bibliothek.
Katherine ging mit forschen Schritten ins Hauptlabor. In dem hellen, sterilen Arbeitsbereich funkelten hoch entwickelte Geräte zur quantitativen Analyse: paarweise verbundene Elektroenzephalografen, ein Femtosekundenkamm, eine magnetooptische Falle sowie Rauschgeneratoren als physikalische Zufallsgeneratoren.
Obwohl die Noetische Wissenschaft modernste Technologie einsetzte, waren ihre Ergebnisse weitaus mystischer als die kalten Hightechmaschinen, die sie erbrachten. Der Stoff, aus dem Magie und Mythen bestanden, wurde rasch zur Realität, denn ständig kamen schockierende neue Daten hinzu, welche die Richtigkeit der Theorie erhärteten, die der Noetischen Wissenschaft zugrunde lag: dass der menschliche Geist über ungenutztes Potenzial verfügte.
Die grundlegende These war simpel: Bis jetzt haben wir nur an der Oberfläche unserer geistigen und spirituellen Fähigkeiten gekratzt.
Experimente in Einrichtungen wie dem Institut für Noetische Wissenschaften (IONS) in Kalifornien und dem Princeton Engineering Anomalies Research Lab (PEAR) hatten unumstößlich bewiesen, dass menschliche Gedanken, sofern richtig gelenkt und gebündelt, eine physische Masse beeinflussen und verändern konnten. Diese Experimente waren keine billigen Tricks wie das ›Löffelverbiegen‹, sondern streng überwachte wissenschaftliche Untersuchungen, die allesamt das gleiche außergewöhnliche Ergebnis erbrachten: Die menschlichen Gedanken standen tatsächlich in einer Wechselbeziehung mit der stofflichen Welt, ob es uns nun bewusst war oder nicht, und bewirkten Veränderungen bis hinunter auf die subatomare Ebene.
Der Geist triumphiert über die Materie.
Im Jahre 2001, in den Stunden nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September, machten die Noetischen Wissenschaften einen Quantensprung nach vorn. Damals entdeckten vier Forscher, dass die Messwerte von insgesamt siebenunddreißig voneinander unabhängigen Zufallsgeneratoren mit einem Mal weit weniger zufällig wurden, als die Gedanken eines großen Teils der schockierten Menschheit sich in gemeinsamer Trauer auf eine einzige Tragödie konzentrierten. Offenbar hatte das Eins-Sein dieser gemeinsamen Erfahrung, die Verschmelzung von Millionen menschlicher Geister, die Funktionen dieser Geräte beeinflusst, ihre Ausgaben strukturiert und Ordnung ins Chaos gebracht.
Wie es schien, entsprach diese aufsehenerregende Entdeckung dem alten spirituellen Glauben an ein ›kosmisches Bewusstsein‹ – einem Verschmelzen menschlichen Denkens in gewaltigem Ausmaß, das tatsächlich in der Lage war, in Wechselwirkung mit der Materie zu treten. Erst vor Kurzem hatte man bei Studien über Massenmeditation und -gebete ähnliche Ergebnisse bei Zufallsgeneratoren erzielt, was der Behauptung der noetischen Autorin Lynne McTaggart neue Nahrung gab, dass das menschliche Bewusstsein, wie sie es beschrieben hatte, eine Substanz außerhalb des menschlichen Körpers war … eine Energie höchster Ordnung, in der Lage, die physische Welt zu verändern.
McTaggarts Buch Intention sowie eine Reihe weiterer Studien hatten Katherine fasziniert. Nunmehr bestand das Ziel ihrer weltweiten, webbasierten Studie – theintentionexperiment.com – darin, die Frage zu beantworten, wie das menschliche Denken die Welt beeinflussen konnte.
Ausgehend von dieser Grundfrage hatten Katherines Forschungen den Beweis erbracht, dass man mit ›konzentriertem Denken‹ im wahrsten Sinne des Wortes alles beeinflussen konnte – die Wachstumsrate von Pflanzen; die Geschwindigkeit und Richtung der Bewegungen von Tieren; den Vorgang der Zellteilung in einer Petrischale; die Synchronisation autonomer Systeme und die chemischen Reaktionen im eigenen Körper. Selbst die kristalline Struktur eines sich bildenden festen Stoffes vermochte der menschliche Geist zu verändern. So hatte Katherine durch die Kraft ihrer Gedanken – positiver Gedanken – in einem Erlenmeyerkolben Eiskristalle von makelloser Symmetrie erschaffen. Unglaublicherweise
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