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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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fühlen, wenn zweifelnde Worte zu ihren Gedanken kommen. Sie wissen, es sind dann meine Zweifel, die eine Antwort suchen, und für sie ist es eine Prüfung der Festigkeit ihres Glaubens. Es ist ein fruchtbarer Austausch.
    Aber du nanntest euren Herrn Marduk … Das ist indirekt der Grund, weshalb ich dich aufsuchen wollte. Wie du ja weißt, arbeite ich im Dienste des großen Königs Nebukadnezar , den ich sehr schätze. Ich freue mich sehr über sein großes Vertrauen mir gegenüber und fühle mich ihm gegenüber sehr verbunden.
    Er hat sich in der letzten Zeit verändert, nach außen unmerklich, was ihn als König gerade ausmacht, denn er trägt seine eigenen Gefühle nicht in seine Regierungsgeschäfte und weiß da genauestens zu trennen. Doch nach innen ist er sehr nachdenklich, fast, ich will andeuten, zu nachdenklich. Ich will offen meine Gedanken dazu aussprechen. Ich denke, es handelt sich um zwei Probleme, die er bekämpft: Das eine ist die Auseinandersetzung mit seinem ältesten Sohn und Thronfolger Rosuran-Amel-Marduk . Damit verbunden tief verwurzelt seine Verantwortung für sein Volk. Zum anderen sind es auch innere Glaubenskonflikte selbst, die die Götter überhaupt betreffen. Ich hoffe sehr, man hat schon nach dir gerufen. Ich hatte ein sehr besorgtes Gespräch mit seinen engsten Vertrauten, zu denen auch ich mittlerweile zähle, doch ohne in dem Gespräch einen konkreten Namen zu nennen, dachte ich sofort an Dich, große Elieanor-Adda-Guppi . Du bist eine weise Frau mit einem jungen Verstand und mit viel Einfühlungsvermögen. Nebukadnezar schätzt dich und vertraut dir. Nebukadnezar ist auch schon in einem Alter, wo nicht mehr alles so leicht von der Hand geht. Er denkt oft an die ungewisse Zukunft. Er sucht verzweifelt nach Stützen um sich herum, denn er traut nur wenigen, womit er Recht hat. Träume plagen ihn und die Worte der Orakel.
    Es war sogar eine Seherin an seinem Hofe, Sajaha [29] war ihr Name, die er lange fragte, immer wieder nach der Zukunft seines Landes.“
    „Konnte sie ihm etwas sagen, etwas, das ihn beruhigte?“, will Elieanor-Adda-Guppi wissen. In kürzester Zeit sprechen sie nun zwei der engsten Vertrauten des Königs offensichtlich vollkommen unabhängig voneinander an. Die Lage scheint wirklich besorgniserregend.
    „Sie sagte nicht viel. Es beruhigte ihn nur im Blick auf die sehr ferne Zukunft.
    Nachdem, so sah sie, die Erdenwelt von aller Bosheit und von allem Elend gereinigt worden sei, würden Menschen hier leben, frei von Streit und Habsucht, Verwirrung und Unzucht, frei von Waffen. Sie würden einen Turm bauen, der siebenmal höher sei als Ätämänanki . Es sei ein Sieg der Gerechten, der Tapferen, die die dunkle Zeit überdauert haben. Es sei der Sieg des Lichts.
    Sie sagte auch, es sei schwer, die Saiten, die Schwingungen des Guten, die zertrennt wurden, wieder aufzunehmen. Es sei schwer, sich gegen das Böse zu wehren.
    Sie sah Götter, die sich zurückzogen. Da die Menschen zu viel Böses taten, zogen sie ihre schützenden Hände zurück.
    Sie sah einen Doppelkopf mit dem Gesicht einer Frau und dem eines Mannes, hoch hinausragen in den Himmel, einen Zeichen von männlich und weiblich, vereint auf gleicher Höhe.
    Vom Bösen hat sie wohl viel gesagt, das beißt und vernichtet und einher kommen wird, auch über Babylon .
    Sie sagte ihm, dass seine Güte ihn behindere, das Böse voll zu erkennen, sodass dieses ihn täuschen könne.“
    „Das Böse…“, sagt Elieanor-Adda-Guppi nachdenklich.
    „Ja, vom Bösen sprach sie viel, von den Knechten der Finsternis, die aber in später Zeit vertilgt werden würden mit all ihren Samen. Das Böse würde mitsamt der Wurzel ausgerissen Die Welt würde gereinigt, alles Unedle würde fallen, alles Falsche vernichtet, damit die ewige Ordnung wiederhergestellt werden könne.“
    „Was sagte sie zu Babylon ?“
    „Sie sagte, dass das jetzige Babylon vernichtet werden würde. Doch in später Zeit, in sehr viel späterer Zeit, wenn das Böse vertilgt sei, würde Babylon für tausend Jahre wieder im Lichte herrschen.
    So und Ähnliches sprach sie. Ich glaube nicht, dass sie eine Betrügerin ist. Was hätte sie davon? Sie ist eine weise und geachtete Frau. Von meinen eigenen Prophezeiungen will ich jetzt erst gar nicht sprechen. Du verstehst, was ich meine.“
    „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ihn das verzweifeln lässt und er unablässig gegen den Dämon kämpft, der ihm einredet, das, was er alles getan hat, gebaut hat,

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