Das Vermaechtnis

und zu philosophieren?
    Gimraios Es ist mir Freud. Leid nur, wenn ich über diesen speziellen Gedanken nachdenke. Ansonsten pure Freud!
    Choi-Hippokrates So soll es auch Freud bleiben. Gut ist, wenn du dich beim all zu vielen Denken im Freien aufhältst, auch einmal am Rande der Stadt, dich unter Bäume setzt oder in deinen Garten. Ständig im Haus grübelnd zu verbringen, schlägt bei jedem gesunden Bürger irgendwann aufs Gemüt.
    Draußen wird dir der Wind schon die Flusen aus dem Kopfe wehen. Außerdem werden dich die schönen Blütendüfte wieder öfters zu deiner Frau hinziehen. Wie reagiert sie auf deine Veränderung?
    Gimraios Sie ist eine gescheite Frau, sie lässt mich walten. Sie kennt mich fast nicht anders. Sie hat sich damit abgefunden. Sie sieht, dass auch sie somit mehr Zeit für ihre Arbeiten hat, für ihren Sport. Ich lasse ihr viel Freiraum für den Sport, damit sie schön bleibt und wohlgeformt.
    Anfangs erzählte ich ihr nichts von meinen ganzen stundenlangen Überlegungen…
    Choi-Hippokrates Weiß sie von dem Orakel?
    Gimraios Nein, niemals werde ich ihr davon erzählen! Manchmal allerdings sieht sie mich so an, dass ich beinahe glaube, sie ahnt etwas. Ich schwor ihr, dass es nichts mit ihr zu tun hat, und dass keine andere Frau der Grund ist. Allein das Nachdenken über Dieses und Jenes sei es, das mich tags und nachts beglückt und entrückt. Sie fragt immer mal wieder nach, was sich wohl hinter Diesem und Jenem verberge. Da erzähle ich ihr über die vielen Gespräche meinesgleichen, mit Staatsmännern, Männern von Politik und Philosophen, über mein Suchen nach der Ursache für alles, meine Fragen nach dem Woher und dem Warum.
    Das Verblüffende ist, dass ich mit ihr gut reden kann. Allein dadurch bekomme ich mehr Struktur in meine Ideen. Sie ist gescheit. Ich versuche so gut zu ihr zu sein, wie es geht. Nicht viele Frauen Athens sind so wie sie. Du wirst sie nachher sehen, in meinem Haus.
    Choi-Hippokrates Ja, darauf freue ich mich schon. Doch dein Blick verrät mir, dass du noch nicht alles erzählt hast, was deine Seele schwer werden lässt.
    Gimraios Daran erkennt man sofort den großen Arzt in dir, geschätzter Choi-Hippokrates. Ich danke dir für deine Geduld, mir zuzuhören. Wo wir gerade noch ohne Mithörer beisammen sind, will ich dir doch ein wirkliches Leid klagen. Es ist mir unangenehm, darüber zu sprechen, aber wenn nicht du, wem sonst könnte ich vertrauen? Wem sonst könnte ich dies erzählen, wer sonst könnte mir einen ernstzunehmenden Rat geben und mir helfen?
    Unangenehm ist es mir, denn ich weise Krankheit von mir wie Schwäche. Für mich ist sie ein Zeichen von Schwäche. Ein schwacher Mann, was ist denn das? Leid vergeht am besten, wenn ich nicht daran denke. Wenn es mich zwickt, dann lenke ich mich ab mit der Kraft meiner Gedanken. Doch wiederholt habe ich an manchen Stellen am Körper Ausschläge, stark juckende. Nach ein paar Tagen vergehen sie wieder, das weiß ich schon und ertrage sie. Ich habe Hunger, aber keinen Appetit, denn mir ist oft wie sauer, und es kneift im Magen. Bisweilen sehr stark. Das ist sehr ungewöhnlich, denn zuvor aß ich stets mit Genuss und muss zugeben, auch nicht zu wenig. Am meisten Sorge macht mir, dass ich schnell gereizt bin, wozu ich eigentlich überhaupt keinen Grund habe.
    Choi-Hippokrates Ich schlage dir vor, nach allem, was ich heute Morgen von dir gehört habe und an dir beobachtet habe, für einige Zeit in eines der Asklepieien zu gehen. Hier in Athen oder besser noch in Epideuros . Es sind wunderbare Anlagen, die der alleinigen Erholung und Heilung dienen.
    Ruhe, viel Schlaf, Entspannung, Spaziergänge, sich neu sammeln, Bäder, Einreibungen, Massagen mit duftenden Ölen, Musik, Lesen, angenehme Düfte durch Räucherungen, die Natur um dich herum, dies alles, um auf deine Seele ausgleichend zu wirken. Fasten, eine leichte, schonende Diät, die das richtige Mischungsverhältnis von Feuer und Wasser in deinem Körper wieder zum Guten beeinflusst, und Bewegung, tägliche körperliche Übungen, Handauflegen, all das wird dir wieder zu einem besseren Leben verhelfen. Das Wichtigste daran ist, dass du auch danach, wenn du wieder zurück in Athen bist, nicht in die alten Lebensmuster zurückfällst, sondern dass du dein Essverhalten und deine Gedanken zum Guten hin für Körper, Geist und Seele beibehältst.
    Makrobiotik nenne ich es, wenn Menschen einen Lebensstil führen, der zu Gesundheit und hohem Alter führt – durch eine