Das Vermaechtnis
Reise beginnt man schon die Hektik und den Staub der Gassen Athens zu vergessen, denn die Anlage des großen Tempels liegt abseits von allem.
Sie sind noch nicht ganz fertig mit dem Bau, dennoch ist die ganze Anlage einfach wunderbar. Einen Rundbau, einen Tholos , planen sie gerade, den 26 Säulen säumen sollen, als Kultstätte für den großen Gott der Heilkünste Asklepios . In einer Art rituellen Prozedur kann der Patient, um tiefe Heilung zu erfahren, entlang weiterer Säulen im Innern in die Mitte dieses Tempels gehen, um sich dort von seinen belastenden Gedanken zu befreien. Es soll gedacht sein als Gang durch die Dunkelheit. Die quälenden Krankheit verursachenden Gedanken verbrennt man dort in Form eines Feueropfers vor Asklepios , um dann von allen befreit von ihm, dem Gott der Heilkünste, wieder ans Licht geführt zu werden.
Ein ähnliches Ritual habe ich auch durchgeführt, nur nicht in solch einem großen Gebäude. Auch hier war es ein Gang durch die Dunkelheit, ein nur spärlich erleuchteter Gang, den ich allein entlangging, bis sich in der Mitte ein kleiner runder Raum auftat. In der Mitte erschienen schemenhaft die Statue des Gottes und davor ein kleines glimmendes Feuer. Ich kniete nieder, es roch nach Kräutern, ähnlich wie im Abaton , doch auch wieder anders, süßlicher, und ich hörte eine Stimme, die sprach:
‚Sprich aus, was dich quält. Sprich aus, was deine Seele bedrückt. Sprich es aus, damit die Gifte aus deinem Körper entweichen können und du zur Ruhe kommen kannst.’
Erst saß ich nur da, denn mir wollte nichts einfallen, doch dann begann ich. Ich redete, ich weiß nicht wie lange. Ich redete alles von mir, was ich falsch gemacht hatte, meine Schuldgefühle, wen ich beleidigt hatte, wen ich belogen hatte, dass ich betrogen hatte, dass ich jemandem weh getan hatte, einmal sogar wissentlich und mehrere Male unwissentlich. All dies sprudelte heraus wie eine Quelle der Last so lange, bis mein Kopf leer war. Auch mein Gefühl war wie leer. Und ich weinte.
Ich hatte das Gefühl, dass der Gott mich verstand, dass er mich nicht verurteilte, sondern er befreite mich. Das Feuer vor mir war fast erloschen. Ich sah nichts um mich herum. Auch den Gott sah ich nur andeutungsweise. Ich saß mitten in der Dunkelheit auf einem Kissen. Nach einiger Zeit des weiteren Schweigens hörte ich die Stimme wieder, die sagte:
‚Lege die Kräuter vor dir auf die Glut, atme tief ein, und lass dich von ihnen reinigen. Dann wird ein Priester dich wieder ans Licht führen.’
Ich gab die Kräuter auf die Glut, atmete tief ein und fühlte mich einfach nur leicht – und frei. Ein Priester stand neben mir, er entzündete die Fackeln an den Säulen, und alles wurde hell und heller, und ich folgte ihm nach draußen und war wieder im Licht. Ich fühlte mich wie ein neugeborener Mensch!
Gimraios Allein dies hört sich schon an, als wäre es die Heilung.
Choi-Hippokrates Dies ist der letzte und klärende Aspekt der Heilung. Er gehört nicht immer dazu, allerdings ist er bei vielen verschieden Krankheiten sehr hilfreich und bewirkt durch die Reinigung der Psyche eine stabilere Basis für die Gesundheit. Dir, lieber Jaskularias, ist der Erfolg der Heilung immer noch deutlich anzusehen. Doch du hast mit dem Ende begonnen, wie war alles von Anfang an?
Jaskularias Oh, natürlich. Nur kurz noch eine kleine Ergänzung zu ihrer Planung weiterer Bauten. Es sollen gleich am Anfang, noch bevor man die heilige Straße zum Heiligen Bezirk betritt, zwei längliche Säulenhallen errichtet werden, die man als Erstes durchschreitet. Ach, und ein größeres Théatron soll an den Hang des Berges gebaut werden; ein idealer Platz für die Sitzreihen mit bestem Blick zur Darstellung.
Nun aber zum Anfang meiner Heilkur. Als ich ankam, musste ich den letzten Weg zu Fuß gehen. Ich schritt also durch die Toranlage, die allein schon großartig war, sodass ich gleich das Gefühl hatte, einen anderen Ort der Welt zu betreten. Gleich am Eingang stand geschrieben:
‚Rein muss der sein, der in den Weihrauch duftenden Tempel eintritt.
Reinheit heißt reine Gedanken haben.’
Diese Worte begleiteten mich meinen ganzen Aufenthalt. Und – ich muss sagen, nach drei Monaten wieder in Athen sind sie immer noch allgegenwärtig. Sie sind hochwirkungsvoll.
Meine erste Reinigung vollzog ich rein körperlich am Brunnen. Priester und Priesterinnen waren da, kümmerten sich und gaben Anweisungen, was zu tun war. Wenn ich nichts tun musste, was
Weitere Kostenlose Bücher