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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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vorn etwas höher und bildete eine kleine Höhle, die zum Meer hin offen war. Dort entzündeten sie sonst immer das Feuer, wenn die Fischer bei Dunkelheit noch nicht vom Meer zurück waren. Es machte aber wenig Sinn, zu dieser Zeit ein Feuer dort zu entzünden. Die Sicht soll weniger als von mir bis zu dir betragen haben. Die Hand hätte man vor seinen Augen nicht gesehen. Doch die Frau versuchte es verzweifelt. Sie blieb dort oben sitzen, als hoffte sie, dass sie statt des Feuers ihrem Mann den Rückweg erleuchten könne, damit er sie finden würde. Die Dorfbewohner brachten ihr zu essen und zu trinken, doch sie ließ beides unberührt stehen in ihrem großen Kummer. In der dritten Nacht gab es ein lautes Dröhnen und am Morgen darauf war der Berg in der Mitte durchgebrochen und der ganze vordere Teil im Meer versunken. Kanaloa hat die beiden wieder vereint. Danach, so heißt es, hörte der Sturm sofort auf. Seither heißt er der Abgeschnittene Berg.“
    „Jetzt werden die Nachtlichter an anderen Stellen entzündet. Ich kenne zwei.“
    „Ja, es sind insgesamt drei Stellen, an denen wir Feuer entzünden. Es sind Stellen, die sich nicht auf Peles Steinen befinden. Die Steine, die erkaltete und durchgehärtete Lava, die Feuersteine, haben ein eigenes Gemüt. Mal sind sie scharfkantig, mal sehen sie aus, als seien sie noch im Fluss und eher breiig und wulstig. Mal sind sie rot, mal braun, mal ocker, mal schwarz. Du kennst den einen Durchgang weiter oben, ein Tunnel durch den man gehen kann und viele Schritte weiter auf der anderen Seite wieder herauskommt. Die meisten gehen dort nicht durch, denn sie befürchten, dass sie der Weg direkt ins Reich des Milu , dem Gott der Unterwelt, führen würde, obwohl man auf der anderen Seite doch schon das Licht sehen kann. So gibt es unter der harten Lava noch viele Höhlen, die durch Bewegungen der Erde, wenn ein Berg Feuer speit oder durch starken Wellenschlag, einstürzen können. Auf einer der Inseln ist eine große Klippe entstanden, die aussieht wie ein Wasserfall, der zu Stein geworden ist und auf der anderen Seite ist eine Klippe so groß, dass, wenn sie eines Tages abbricht, eine unvorstellbar große Welle entstehen würde. Viele Stellen des Berges, durch die einst die flüssige heiße Lava floss, sind auch durchzogen von Höhlen. Wir nennen ihn den Lebenden Berg , denn die Feuergöttin Pele wohnt dort und manches Mal können wir hören oder spüren oder auch sehen, wenn der Berg im Innern zu kochen beginnt.
    Pu’kon und Nainoa legten eine lei an den Rand des Feuerkraters, eine lei , auf den jeder des Dorfes eine rote Blüte aufgezogen hatte. Diesen liebt die große Feuergöttin und wir beten in unserem Feuer-Tanz, der ihr zu Ehren getanzt wird, dass sie uns mit ihrer Kraft verschont und das Feuer in die anderen Richtungen spuckt.“
    „Ich mag den Stein der Pele und mag ihn auch nicht. Auf der einen Seite schenkt er uns mehr und mehr Land, man sieht, dass die Erde wächst und die Insel höher wird. Auf der anderen Seite wird die Erde wieder genommen, und man weiß nie genau, wann was passiert.“
    „Ja, das machen die Götter unter sich aus. Der große Gott aller Natur, Kumulipo, regelt das große Zusammenspiel schon seit jeher. Wir vertrauen ihm, dass er auch für uns alles zum Besten regelt.“
    „Der Schildkrötenfelsen ist aber nicht aus Peles Stein, er ist ganz anders, er sieht viel schwerer aus“, will Alēi’na weiter wissen.
    „Das ist eine kurze Geschichte, die sich die Alten erzählen. Es heißt, dass dies die Ur-Mutter der Schildkröten im Meer ist, die eines Tages, da sie verzweifelt war und keine Nachkommen hatte, an Land ging. Sie hatte schon Millionen von Eiern auf den Meeresgrund abgelegt, doch aus keinem wollte eine kleine Schildkröte schlüpfen und rasch waren die schutzlosen Eier von anderen Meeresbewohnern aufgefressen. So ging das viele Jahre. Also beschloss sie, dass sie nicht mehr im Wasser leben wollte und legte sich erschöpft und entmutigt an den Strand. Die verbliebenen Eier legte sie in den Sand neben sich und schlief ein. Am nächsten Tag, als sie weiterziehen wollte, spürte sie, dass sich in den Eiern etwas veränderte. Sie merkte, dass es die Wärme der Sonnenstrahlen war, die den Eiern gefehlt hatte. Sie ließ sie in dem warmen Sand liegen, ließ die Sonne die Eier ausbrüten und bewachte ihr kleines Nest bis eines Tages kleine Schildkröten ausschlüpften und sofort schnell zum Wasser rannten und fortschwammen. Damit die

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