Das Vermaechtnis
trockene Sand der flachen Sandgräber in der Wüste hielt sie überaus gut konserviert.
Nun, die Pyramiden dienten auch dazu, uns, uns Göttern, nah zu sein. Ein König stand uns nah und sollte es in seinem Leben nach dem Tode ebenfalls sein. Zudem demonstrierten sie mit der alles überragenden Größe dem Volk die Größe des Herrschers und seine Nähe zu uns Göttern. Von dort konnte der Herrscher weiter an der großen Weltordnung teilhaben, so wollte es auch das Volk.
Die Toten wurden an der Grenze zur Wüste beigesetzt, dem Ort des Übergangs vom Leben spendendem Nil in die todbringende Wüste, dem Übergang vom Diesseits zum Jenseits – und die Wandlung vom Tod ins Leben. Dort trotzten sie den gefährlichen Chaosmächten und die Bücher des Jenseits dienten dem Wunder der Lebenserneuerung, wie Osiris, mein Freund, es vor uns allen durchlebt hat, am Rande der Auflösung und des Todes.
Du allein bist das Symbol der Wiederauferstehung und durch meine Verbindung mit dir des Nachts kann der Kreislauf von neuem beginnen. So steht es geschrieben, und so geht alles seinen Lauf. Für unsere Tameri ist der Tod, wie wir sehen, kein Ende, kein Abbruch des Lebens, aber ein schwer zu bewältigender Übergang. Das Wissen aus dem Amduat und auch aus weiteren Jenseitsbüchern hilft ihnen, an den gefährlichen Hindernissen und Feinden glücklich vorbeizukommen, dank dir, Osiris !
Ein unglaublicher Wandlungsprozess, die stetige Wandlung der Schöpfung. Wie ein Wunder, ein grandioser Plan, ein genialer Zyklus. Etwas Demut vor all diesen schöpferischen Zyklen könnte jedem Menschen gut tun. Sie sind als wahr erprobt. Millionen Mal.“
Zufrieden mit sich und dem Himmel legt Re nickend seine Hand auf Osiris’ Schulter, denn er merkte schon während seiner Rede, dass dieser wohl noch etwas dazu sagen will.
„Nun hörten wir detaillierter als nötig vom großen Amduat , doch ich kann es verstehen. Am liebsten würden wir das ganze Werk hier einfügen, damit alle die wunderbare Tiefe und Vielschichtigkeit erkennen können, die es in aller Symbolik durch Zeichen, Bilder und Worte in sich birgt. Die Pharaonen stellten sich vor, eine ähnliche Reise nach ihrem Tod anzutreten, von welcher sie in ein neues Leben auferstehen. Mindestens von Künstlerhand auf Papyrus geschrieben erhielten sie dieses als Grabbeigabe, bei einigen Pharaonen sind Auszüge aus dem Jenseitsbuch an den Grabwänden zu lesen oder sogar in ganzer Länge gezeichnet und geschrieben, wie es in der Grabkammer des Burgon-Thutmosis III wunderbar und einmalig zu sehen ist.
Ja, die Gedanken zur Reise ins Jenseits, darauf will ich hinaus. Es ist sehr interessant, wie es sich die Menschen in Tameri vorstellten, ihre Reise, die sie nach dem Tod antreten würden. Es sind die Totenbücher , von denen ich rede. Von diesen würde ich gern noch ergänzend berichten, denn dies fällt schon hauptsächlich in meinen Verantwortungsbereich. Ich finde es eine schöne Ergänzung zu all den bislang erwähnten Mythen und Vorstellungen. Es betrifft nicht nur die Obersten des Reiches, sondern einen jeden Bürger“, schlägt Osiris vor. Obgleich Geduld nicht aller Götter Tugend ist, nicken die meisten oder grummeln zumindest ihre Zustimmung.
„Ja, aber fasse dich ein wenig kurz, denn ich mag es nicht, wenn wir lange auf einer Stelle stehen, immer das gleiche Thema bereden, nur von einer anderen Seite. Das Geschehen muss weitergehen, die Berichte zu den besagten Pharaonen warten schon mehr als ungeduldig auf ihren Einsatz“, spricht energisch Isis , die Göttin des Lebens und der Liebe und die, die den Stillstand hasst und alles unternimmt, damit alles in Bewegung bleibt. Die Ungeduld plagt sie schnell.
Osiris lächelt sie schlicht vielsagend und entwaffnend an. Sie lächelt etwas verlegen zurück, was man von ihr absolut selten sieht und strahlt sofort ihre alles überbrückende Liebe aus, sodass Osiris in aller Ruhe mit seinen Ausführungen fortfährt:
„Auf jeden Fall legten sie im Alten Tameri dem Verstorbenen ein Totenbuch mit ins Grab, das ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen sollte, damit ihm bei den im Totenreich auf ihn zukommenden Prüfungen auf keinen Fall Fehler unterliefen. Das hätte nämlich fatale Folgen. Ansonsten wären sie ewig tot, so dachten sie. Dieses Totenbuch wurde auf Papyrus geschrieben und hauptsächlich in die Gräber der Bürger gelegt, also in nicht-königliche Gräber, und wurde den Mumien beigegeben. Manche Zauberformeln wurden auch auf
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