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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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das Heil meiner Augen, damit ich wieder für mein kommendes Leben voll sehend werde.
    Die Geburt des Sonnenkindes steht bevor. In der elften Stunde wird es deutlich.
    Ich bin der Garant und Schöpfer der Zeit. Die Zeit, das symbolisieren die Götter der Bewegung und der Dauer. Wir werden der Zeit gewahr in all ihren Aspekten. Denn die Zeit ist wie ich. Sie erneuert sich stets und dauert und währt ewig. Stets im gleichen Takt, stets in der gleichen Ordnung.
    Götter wie Menschen bewahren diesen immerwährenden Schöpfungszyklus vor dem drohenden Zerfall. Jetzt erscheint der Schlangengott, Mehen der Weltumringler, auch er dient der Zeit. Die Zeit in all ihren Erscheinungsformen ist immerdar und zuverlässig. Sie schreitet voran, so ist es seit jeher gewesen und so wird es immer sein. Obgleich – das eigentliche Wunder ereignet sich am tiefsten Punkt der Jenseitsnacht in der sechsten Stunde, dort, wo weder Raum noch Zeit ist, dort hält alles an, um die Heilung im tiefsten Innern zu ermöglichen. Ein Anhalten, ein Schweben inmitten des Rhythmus’, denn die Zeit weilt immer. Sie ist dort nur nicht mehr zu hören, nicht mehr wahrzunehmen.
    Und so nehmen wir sie jetzt wahr, alle. Die Mehen -Schlange wird die Sterne genau im richtigen Moment verschlingen und damit meine Geburt ankündigen. Allen wird klar, auch die Zeit kann ein Ende haben, nämlich für die, die verurteilt sind, die, die gegen die Ordnung verstoßen haben, die, die Osiris geschädigt haben. Horus weist die Strafgötter an, sie zu vernichten, dass sie in den endgültigen Tod gehen, den zweiten Tod, wo es kein Zurück mehr gibt. Die Schlange, die Millionen verbrennt, wird ihr Feuer in die Grube mit den Verurteilten speien und ihre Leiber werden zerstückelt werden. Für sie gibt es kein Zurück. 
    Wir haben es geschafft, wir alle. Wir haben die zwölfte Stunde erreicht, wir sind kurz vor unserem Ziel.
    Wir sind in der Höhle des Endes der Urfinsternis . Alle jubeln und freuen sich über alle Maßen. Doch auch hier sage ich, Einhalt ist geboten. Bedenket und huldigt Osiris , denn es heißt Abschied nehmen, sich trennen, um sich doch bald wieder zu verbinden. Osiris hat uns geschaffen, und nun trennen wir uns schmerzlich von unserem Schöpfer.
    Mit vereinten Kräften ziehen uns die Götter durch den großen Schlangengott Leben der Götter . Wir vollziehen ein letztes Mal das Wunder der Wandlung, wie nur Schlangen es zu tun vermögen, als Alte werden wir hinein- und als Verjüngte werden wir herausgezogen. Alle Bemühungen, alles Handeln hält noch ein letztes Mal inne, fordert unsere ganze Geduld und zwingt uns zur inneren Mäßigung, bis wir es durch die Wiederholung im tiefsten Innern verstanden haben. Wir bekommen unsere Ka -Kräfte übermittelt, unser Lebenssinn fließt mit ihr in uns, unser Lebensplan, unser Weg der Göttlichen Ordnung . Jetzt fühlen alle das tiefe Vertrauen. In dem Moment, wo wir uns dem Schlangengott ganz hingeben, lässt er uns frei.
    Endlich – am Ende erwartet mich Schu am östlichen Horizont mit offenen Armen, mich, das Sonnenkind, den Chepri -Käfer. Schu wird mich gleich hinaufheben in mein neues Leben. In diesem wunderbaren Moment berühren sich Himmel und Erde. Meine Sonnenbarke wird herausgezogen an den Himmel des Tages. Ohne den Schutz des Mehen -Schlange, die die letzten Stunden stets um mich wachte, ohne jeglichen Schutz kann ich nun mein neues Leben beginnen, meine Bahn in voller Kraft über den Tageshimmel ziehen. Es ist vollbracht! So ist es als wahrhaft erprobt. Millionen Mal.
     
    In dieser Art läuft mein gefährlicher Weg der Erneuerung Nacht für Nacht ab. Gemäß der großen Ordnung durchlaufe ich stets alle vier Wandlungsphasen: Des Tags erscheine ich als Re am Tageshimmel, des Abends als Greis Atum im Westen am Abendhimmel, des Nachts verbinde ich mich mit Osiris , mit seiner Kraft der Erneuerung, um des Morgens als junger, fröhlicher Chepri -Käfer, als Sonnenkind wiedergeboren zu werden. Alle vier Aspekte sind eins. Das bin ich.
    Und so errichteten die Menschen Tameri s ihre Stätten für die Toten stets im Westen des Nilufers, am Rande der Wüste. Die ganz Armen wurden gleich direkt in der Wüste begraben. Wenn ich so recht überlege, die großen Bauten, die sie für ihre Toten errichteten, und die sehr aufwendige Prozedur der Mumifizierung hätte es wohl in der Form nicht gegeben, wenn sie gewusst hätten, dass sich die Körper der Armen ebenso gut und bisweilen sogar besser erhalten haben. Der heiße

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