Das Vermaechtnis
und Samantha vergeben hatte, nicht länger in ihm zu sein.
Das Wasser lief ihm ins Gesicht, als wären es Tränen, und Payton fragte sich, ob er je wieder Tränen vergießen würde.
Er stieg durch die Luke hinab in die Burg und ging in sein Zimmer. Sein Bett war unberührt – er hatte nach der Nacht mit Sam nie wieder darin gelegen. Ohnehin schlief er nur wenig, denn er empfand keine Müdigkeit, und ohne Träume, die aus Hoffnungen, Ängsten und Sehnsüchten geboren wurden, wollte er keinen Schlaf finden.
Payton zog sich die nassen Kleider aus und fuhr sich mit den Fingern durch sein schulterlanges Haar. Würde er einen Weg finden, sein Schicksal anzunehmen, damit er nicht jede Chance auf Rettung zerstörte, indem er Sam die Schuld gab? Seine eigene Schuld war unermesslich groß und würde für alle Zeit auf ihm lasten, darum war es nicht richtig, sie zu verurteilen.
Wenn es einen Weg gäbe, dem Fluch zu entkommen, würde er dafür all das, was Sam ihm prophezeit hatte, aufs Spiel setzten? Würde er seine Zukunft mit ihr aufgeben, um Erlösung zu erlangen?
Warum nur hatte das Schicksal gerade sie beide ausgewählt, sein grausames Spiel zu spielen?
Er fuhr sich mit dem Finger an die Narbe am Kinn. Sie hatte ihn gezeichnet – nicht nur an seiner Seele.
Als er ein trockenes Hemd anhatte, sein Plaid in ordentlichen Falten um seine Hüften lag und über der Schulter nach vorne lief, wo er es mit der Brosche seines Clans feststeckte, hatte er eine Entscheidung getroffen.
Kapitel 3
Edinburgh, heute
Es war Abend geworden, aber Payton war immer noch nicht nach Hause gekommen. Ich hatte mich nach unserer furchtbaren Meinungsverschiedenheit inzwischen wieder beruhigt, aber seine Worte wollten mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Um mich abzulenken, machte ich mich daran, die letzte Kiste auszupacken. Da ich sie bei der Suche nach Paytons Brief schon geöffnet hatte, brachte ich es nun nicht fertig, sie wieder zu verschließen.
Einen kurzen Moment überkam mich das Gefühl, wieder auf dem Dachboden meiner Großmutter Anna zu sitzen und ihre Hinterlassenschaften zu durchsuchen, als ich nach dem ledergebundenen Büchlein griff, welches ich damals bei ihr gefunden hatte.
Das rote Leder lag kühl in meiner Hand, und ehrfürchtig schlug ich die alten Seiten auf, die die Geschichte meiner Ahnen enthielt. Zärtlich strich ich mit dem Finger über die verblassenden Worte und fühlte beinahe Muireall Camerons Geist. Mutig war die junge Frau ihren Weg gegangen, ganz allein hatte sie sich ihrem Schicksal gestellt und dabei nie ihre Wurzeln vergessen.
Ich blätterte durch die Seiten, bis ich meinen eigenen Namen im Stammbaum der Camerons erblickte. Ich wünschte, ich würde einfach die nächste Seite aufschlagen können und sehen, was das Schicksal in Zukunft für mich bereithielt, aber ich war schon fast am Ende des Buches angelangt. Die letzten Blätter waren unbeschrieben. War es an mir, sie weiter zu füllen? Würde ich irgendwann den Stammbaum der Camerons fortführen? Die Namen meiner Kinder hier eintragen?
Es würde mehr Raum brauchen, die ganze Geschichte zu Ende zu erzählen, als diese wenigen verbliebenen Seiten boten, aber im Moment wusste ich ja noch nicht einmal, ob uns ein gutes Ende bestimmt war.
Ich fasste erneut in die Kiste und nahm die bestickte Leinenserviette heraus, die ich 1740 von Paytons Vater Fingal bekommen hatte, nachdem er mir für einen mit Blut besiegelten Eid in die Hand geschnitten hatte.
Ich bewunderte wie damals die bunten Stickereien des altertümlichen Leinens. In feinen Stichen hatte jemand Blüten auf den Stoff gezaubert. Mein Finger strich über die Stickerei, folgte einem Faden. Dieser war der auffälligste. Stark und rot bildete er den Höhepunkt des ganzen Bildes, krönte die schönste aller Blüten mit seinem Glanz. Ich konnte sehen, wo ein fehlerhafter Stich den glänzenden Faden überlagerte, als neide das grobe schwarze Garn ihm seine Schönheit.
Damals hatte mich der Faden an den Moment in Alisons Küche erinnert, als ich während unserer Suche nach Rettung für Payton eine ähnliche Serviette in Händen gehalten hatte. Ich hatte den Fehlstich aus Alisons Serviette herausgelöst, und – wenn ich so darüber nachdachte –, war es wohl dieses Bild, nein, jener Fehlstich gewesen, der mich den Dolch aus Vanoras Brust hatte ziehen lassen. Ihr Blut auf ihrem weißen Gewand hatte mich an den roten Faden erinnert. Der Dolch an das schwarze Garn –er hatte die Perfektion
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