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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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ihres Vaters klang beunruhigt. »Josefa!«
     
    An diesem Abend lag Josie lange schlaflos in ihrem Bett. Obwohl sich im Zimmer die heiße Luft des Sommertags staute, hielt sie das Fenster geschlossen, aus Angst, der Gespenstervogel könne sie auch hier überraschen. Diese unheimliche Amsel, die Taddy ganz offenkundig nicht sehen konnte. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt starrte sie auf den sanft brummenden Deckenventilator, dessen metallene Beschläge das Licht der Straßenlaternen auffingen und in gleichmäßigem Rhythmus an die Wände warfen. Ein seltsam bedrohliches Gefühl umklammerte ihren Brustkorb wie ein eisernes Band. Es lag etwas in der Luft. Irgendetwas ging vor, das sie nicht steuern konnte. Was, wenn sie jetzt völlig durchdrehte? Geisteskrankheiten brachen bestimmt nicht plötzlich, sondern schleichend aus. Dieser höchst beängstigende Gedanke rollte durch ihren Kopf wie Donnergrollen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Sie war sonderbar, irgendwie nicht normal. Aber war das nicht eigentlich schon immer so gewesen?
    Oh ja, sie war definitiv sonderbar! Allein die Sache mit der Musik! Seit sie denken konnte, sah sie Musik in Farben und Formen vor sich, die im Rhythmus der Klänge durch den Raum schwebten. Das war schon mal alles andere als normal, auch wenn sie das lange geglaubt hatte, weil sie es ja nicht anders wusste. Außer Moma kannte sie keinen Menschen, der Musik in visuelle Eindrücke umsetzte. Moma und Taddy hatten ihr allerdings erzählt, dass auch Isa, ihre verstorbene Mum, Musik in Farben wahrgenommen hatte. Taddy sagte, so etwas nenne man Synästhesie und wahrscheinlich habe sie diese Fähigkeit von Moma und Mum geerbt. – Er betrachtete die Dinge gern von der genetischen Seite.
    Synästhesie . Josie hatte sich das schwierige Wort gemerkt, weil sie es beruhigend fand, dass es ein Wort dafür gab. Ein Wort war etwas, an dem man sich festhalten konnte. Sie hatte keine Halluzinationen. Sie war einfach nur sensibler als andere. Sie war Synästhetikerin. Ihr Gehirn verknüpfte Musiktöne mit visuellen Empfindungen. Die Vorteile ihrer Supersensibilität hatte Josie jedoch nie sehen können, denn sie beschränkte sich nicht auf ihre Musikwahrnehmung. Von klein auf hatte sie sich gewünscht, wie andere Kinder zu sein. Aber das war sie nicht und deshalb fand sie auch so verdammt schwer Anschluss. Ihre feinen Antennen erspürten jede noch so kleine Unstimmigkeit, jede noch so versteckte Falschheit. Ja, sie roch sie geradezu. Buchstäblich. Sie erinnerte sich, dass sie sich schon als kleines Kind immer die Nase zugehalten hatte, wenn ihr eine bestimmte Kindergärtnerin zu nahe gekommen war. Wie oft hatte sie sich anhören müssen, sie wolle sich damit nur wichtigmachen. Aber das stimmte nicht! – Und auch das wusste nur Moma, die genauso empfand. Die Nase trog sie nie. Unangenehme Charakterzüge rochen unangenehm. Modrig, manchmal fast wie faulige Eier. Aber auch schlechte Laune stieg Josie in die Nase. Schon, wenn ein Lehrer das Klassenzimmer betrat, konnte sie sagen, wie er drauf war. Diese idiotische Überempfindlichkeit!
    Und jetzt auch noch das …!
    Josie schloss die Augen und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Aber ihre schwarzen Gedanken flatterten wie aufgescheuchte Fledermäuse durch ihr Gehirn, rastlos, unkontrollierbar. Dabei wünschte sie sich nichts mehr, als endlich einzuschlafen, abzutauchen ins Reich ihrer Träume, in ein Reich, in dem sie sich sicher fühlte.
    Neben der wachen Josie gab es die träumende Josie, die sich Nacht für Nacht in einem wunderbaren Land bewegte, dessen Konturen sich verloren, sobald sie die Augen aufschlug – oft noch ganz beseelt von einem geheimnisvollen Gefühl von Glück und Geborgenheit, das leider kaum die wenigen Minuten bis zum Aufstehen andauerte. Ein Glücksgefühl, das die Alltags-Josie nur selten erlebte. Am ehesten noch, wenn sie sich in ihren Büchern vergrub. Sie war eine Einzelgängerin, die längst gelernt hatte, über ihre seltsamen Wahrnehmungen zu schweigen. Erstens verstand sie – von Moma mal abgesehen – ohnehin niemand und zweitens legte sie keinen Wert darauf, eine Zielscheibe für spitze Zungen abzugeben. Da sie sich nicht am allgemeinen Tratsch beteiligte und wenig Interesse für die Dinge zeigte, die Mädchen ihres Alters interessierten, empfanden die anderen sie wohl als etwas eigenartig, begegneten ihr zwar nicht ablehnend, wurden aber auch nicht recht warm mit ihr. Und Josie ging es umgekehrt genauso. Ihre Freunde

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