Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
und über tätowierten Muskelpaket gesteuert wurde. Unverkennbar wollte sie nicht weiter über das Thema sprechen.
Zwei Blöcke später betraten sie ein modernes Hochhaus, in dessen Foyer ein Portier den Eingang überwachte. Er schien Amy zu kennen, denn er winkte ihr zu.
»Warte hier!« Damit verschwand Amy in einem der Lifte, um kurz darauf mit zwei schwanzwedelnden Möpsen zurückzukehren.
»Wahnsinn!« Josie ging amüsiert in die Hocke. »Sind die mit den Schnauzen in einen Schraubstock geraten?«
Amy lachte. »Möglich. Sie sind so hässlich, dass sie fast schon wieder schön sind. Findest du nicht?« Damit reichte sie Josie eine Leine.
Nach ein paar Frotzeleien über die zwei wohlgenährten Vierbeiner machten sie sich auf den Weg. Auch heute zog es kräftig in der Windy City. Amy blieb stehen und bändigte ihr fliegendes schwarzes Haar mit einem Gummi. »Was macht dein Dad eigentlich hier?«, erkundigte sie sich.
Im Weitergehen erzählte ihr Josie von dem Genprojekt, an dem ihr Vater arbeitete. Als sie dann aber ihrerseits Fragen stellte, wich Amy wieder aus und ließ Josie deutlich spüren, dass sie nichts über ihre Familie preisgeben wollte. So gingen sie eine Weile schweigend nebeneinander her. Und obwohl sie rein gar nichts von diesem seltsamen Mädchen wusste, fühlte Josie eine Vertrautheit, die ihr unerklärlich war. Sie musterte ihre Weggefährtin verstohlen. Etwas Entschlossenes, Eigensinniges lag in diesem Gesicht und erneut glaubte sie, eine Ähnlichkeit zu erkennen. Eine Ähnlichkeit …
Blödsinn! Sie verscheuchte den aufkeimenden Gedanken wie ein lästiges Hirngespinst. Was sie sich neuerdings alles einbildete!
Amy steuerte einen kleinen Park an, wilder und weniger gepflegt als der Grant Park. Sie näherten sich einem Skaterplatz. Aus den scheppernden Boxen eines Players von der Größe eines Handkoffers hämmerten rhythmische Bässe.
Josie zog eine gequälte Grimasse. Amy verdrehte die Augen und rannte blitzartig los, wobei ihr schwarzer Rock flatterte wie Krähenflügel. Der Mops hechelte widerstrebend hinter ihr her. Erst als sie den Skaterplatz weit hinter sich gelassen hatte, blieb sie völlig außer Atem stehen. Der Mops keuchte asthmatisch.
»Gosh!«, stöhnte sie heftig zwinkernd, als Josie sie eingeholt hatte. »Diese Musik schafft mich! Überall Zackenlinien! Das macht mich noch mal wahnsinnig!«
Josie starrte sie fassungslos an.
Amy winkte ab. »Ach was – das ist so ein Tick von mir. Das versteht keiner.«
»Ich weiß genau, was du meinst«, sagte Josie leise. »Ich seh die Zacken auch. Ich meine, es gibt superschöne Musik, orange und blau und so … Und andere …« Sie deutete zum Skaterplatz zurück, »macht einen fast verrückt.«
Amy blickte sie überrascht an. »Du auch? Außer Edna wüsste ich niemanden, der das kennt.«
»Edna?«
»Meine Großmutter.«
Über Amys Gesicht fiel ein Schleier, grau und wie von Blei gewebt.
Dog Park stand an der Gattertür, die Amy einige Minuten später aufstieß. Mann!, dachte Josie. Ein Hundespielplatz! Die Amis sind noch verrückter mit ihren Hunden als wir. Amy bückte sich und ließ ihren Mops von der Leine. Josie tat es ihr nach. Ein Pudel und ein Setter begrüßten die Neuankömmlinge freundlich. Nach ausgiebigem Beschnuppern kam Leben in die schwerfälligen Vierbeiner und kurz darauf tollten sie mit ihren neuen Freunden über den Platz.
Die Mädchen setzten sich auf eine Bank unter einer alten Weide und sahen dem Treiben zu.
»Warst du auch schon immer Synästhetikerin?«, fragte Josie nach einer Weile.
Amy sah sie verständnislos an. Josie wiederholte das schwierige Wort, dessen englische Version sie nicht kannte, aber Amy schien sie nicht zu verstehen.
»Das mit den Farben und Tönen, meine ich. Moma, meine Großmutter, hat es auch. Mein Dad sagt, dass so was vererbbar ist.« Während Josie sprach, hob sie beiläufig das T-Shirt an, um die Drachenfibel, die sie an einer Gürtelschlaufe befestigt hatte, etwas nach unten zu schieben. Das Ding pikte sie schon die ganzeZeit.
Schlagartig wurde Amy kreidebleich. Wortlos, mit fliegenden Fingern kramte sie in ihrer Samttasche und zog etwas heraus.
Josie glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Es war das exakte Pendant zu ihrer Drachenfibel.
»The Blackbird!«, stieß Amy aus. »Gosh!«
»Die Amsel.« Josie starrte auf die Drachenköpfe, die in der Sonne blitzten.
»Niemand außer mir kann die Amsel sehen.« Amys Stimme klang, als hätte sie ein Reibeisen
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