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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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gerade?«, erkundigte sie sich und schnappte sich ein Glas Whisky von dem Tablett des jungen Dieners, der an ihr vorüberglitt.
    Â»Alfie sagt, es ist eine Modeerscheinung«, antwortete der zweite Mann. »Ich bin anderer Meinung.«
    Â» Was ist eine Modeerscheinung?«
    Â»Dieses neue Gebaren. Bei Beerdigungen.«
    Â»Was soll das heißen?«, fragte Mrs Peters. »Da komme ich nicht ganz mit.«
    Â»Na, Elogen und so weiter«, erklärte der Mann. »Hübsche Reden. Kinder, die den Tod ihrer Eltern und was weiß ich noch alles beklagen.«
    Â»Oder den ihrer Onkel«, sagte Mrs Peters. »Falls Sie sich auf Owens Rede beziehen.«
    Â»Oder den ihrer Onkel«, bestätigte Alfie. »Dieses ganze emotionale Trara. Ich bin dagegen, weiter nichts.«
    Â»Herrgott«, sagte Mrs Peters entnervt angesichts der Dummheit von Männern, die keine Probleme damit hatten, Kriege zu führen, aber zurückscheuten, wenn es darum ging, gegen ein paar Tränen anzukämpfen. »Es war eine Beerdigung. Wenn ein Junge nicht einmal bei dem Begräbnis seines Vaters ein paar Gefühle zeigen kann, wann dann?«
    Â»Na schön, aber Peter war ja nicht Owens Vater, oder?«, betonte Alfie.
    Â»Nein, aber so gut wie.«
    Â»Absolut verständlich, wenn man mich fragt«, sagte der andere Mann.
    Â»Ich kritisiere ihn ja auch nicht«, lenkte Alfie eilig ein, denn er wollte nicht als jemand gelten, der der Trauer eines wohlhabenden jungen Mannes gefühllos gegenüberstand, immerhin hatte dieser gerade eines der größten Besitztümer Englands geerbt und war somit nicht einer, von dem man sich distanzieren sollte. »Der Bursche hat mein ganzes Mitgefühl, gar keine Frage. Ich verstehe nur nicht, warum er sich vor aller Welt so zur Schau stellen musste, weiter nichts. So etwas behält man für sich, das ist immer am besten. Niemand möchte mit ansehen, wie jemand eine Parade nackter Gefühle aufführt.«
    Â»Was für eine schreckliche Kindheit Sie gehabt haben müssen«, sagte Mrs Peters lächelnd.
    Â»Da sehe ich keinen Zusammenhang«, erwiderte Alfie, überlegte, ob er beleidigt worden war, und richtete sich zu voller Höhe auf.
    Â»Ist es nicht eine Schande, dass die Dienerschaft den Damen wie selbstverständlich Tee reicht und den Männern Whisky?«, fragte Mrs Peters, die von dem Gespräch jetzt schon gelangweilt war und nach einem etwas gewagteren Thema suchte. »In meinem Testament werde ich die strikte Anweisung hinterlassen, dass sich bei meinem Begräbnis jedermann amüsieren und peinliche Dinge tun muss, Männer wie Frauen. Wenn nicht, kehre ich zurück, um alle heimzusuchen. Bin gespannt, wie Ihnen das dann gefällt.«

2
    Unter normalen Umständen dauerte der Weg vom Tavistock Square zum Old Bailey zu Fuß nie länger als eine Stunde, sodass Roderick Bentley, Anwalt und Richter Seiner Majestät des Königs, im Lauf seiner Karriere an den schönen Morgen den Rolls Royce lieber zu Hause gelassen hatte. Der Spaziergang bot ihm die Möglichkeit, über den Fall, mit dem er gerade beschäftigt war, nachzudenken und die Dinge in Ruhe zu erwägen, ohne von Staatsanwälten, Verteidigern, Gerichtsdienern oder Angeklagten gestört zu werden. Zudem sagte er sich, dass ihm die Bewegung guttue, denn ein Mann von zweiundfünfzig Jahren durfte seine Gesundheit nicht mehr aufs Spiel setzen. In genau diesem Alter war sein Vater einem Herzinfarkt erlegen, und deshalb hatte Roderick dem letzten Geburtstag mit fatalistischer Furcht entgegengesehen.
    An diesem Tag war die Luft frisch, und ein wenig früher am Morgen hatte es geregnet, doch selbst wenn die Sonne die Bäume hätte glänzen lassen und der Himmel makellos blau gewesen wäre, hätte er Leonard gebeten, mit dem Wagen vorzufahren. Seit Donnerstagabend, als er die Verhandlung abgeschlossen hatte, campierten diese verfluchten Zeitungsleute vor der Tür, und Freitag, Samstag und Sonntag hatte er sich in seinem eigenen Haus wie ein Gefangener gefühlt.
    An diesem Morgen war er früh aufgewacht, gegen halb fünf. Eine halbe Stunde oder so hatte er noch im Bett gelegen, versucht, den Schlaf wieder herbeizuzwingen und sich noch eine kleine Ruhepause zu gönnen, ehe die Mühen des Tages begannen. Doch als das Tageslicht durch die Vorhänge sickerte, wusste er, dass es zwecklos war. Jane, seine Ehefrau, schlief

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