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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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wird es nicht.«
    »Woher willst du das wissen? Beinahe täglich erreichen mich Briefe aus London. Unsere Geldgeber werden ungeduldig. Sie drohen, die Kredite zu kündigen, wenn wir mit den Zahlungen nicht nachkommen. Wenn du hingegen bereit wärst, Abbotsford als Sicherheit einzusetzen …«
    »Ich habe es dir schon einmal gesagt, und ich sage es jetzt wieder«, unterbrach ihn Sir Walter, sich zur Ruhe zwingend. »Abbotsford steht nicht zum Verkauf. Es ist die Heimat meiner Familie, mein Vermächtnis an sie. Ich werde es nicht an Leute verschachern, deren höchstes Gut eine positive Jahresbilanz und deren einziger Antrieb die nackte Gier ist!«
    »Das, mein Freund, hättest du dir überlegen sollen, ehe wir uns mit diesen Leuten eingelassen haben, oder nicht?«
    »Wir hatten keine andere Wahl«, stellte Sir Walter klar, »deshalb hat es auch keinen Sinn, damit zu hadern. Ich kenne die Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, und ich werde zu meinem Wort stehen. Ich werde den vereinbarten Zahlungen nachkommen und meinen Teil dazu beitragen, die Schulden zu begleichen. Aber ich werde weder an Abbotsford noch an mein Lebenswerk rühren, ist das klar?«
    »Walter, ich bitte dich …«
    »Siehst du denn nicht, was hier geschieht, James?« Sir Walter sah seinen Freund beschwörend an. »Begreifst du nicht, dass es bei dieser Krise um sehr viel mehr geht als um steigende Zinsen und gekündigte Kredite? Seit achthundert Jahren lassen die Engländer nichts unversucht, um uns unserer Identität zu berauben. Zuerst haben sie es mit Waffengewalt versucht und durch Besatzung, später dann durch Handel und Gesetze, nun durch ihr Geld. Die Methoden mögen feinsinniger geworden sein, die Ziele sind es nicht. Bei allem, was geschieht, ist es wichtig, dass wir das bewahren, was uns wichtig ist – unsere Traditionen, unsere Seele. Ich habe mein Leben lang dafür gearbeitet, das schottische Erbe zu bewahren, ich werde jetzt gewiss nicht damit aufhören. Abbotsford gehört zu Schottland wie ich selbst und mein Werk – es steht nicht zum Verkauf.«
    »Ist das dein letztes Wort?«
    Als Sir Walter die Furcht in den Augen seines alten Freundes sah, verpuffte sein Zorn. »Ich fürchte ja, James«, sagte er leise, aber bestimmt.
    »Und was willst du bezüglich der Zukunft unternehmen?«
    Ein schwaches Lächeln glitt über Sir Walters vom Kaminfeuer beleuchtete Züge, während er sich langsam erhob. »Ich werde tun, was man immer tun sollte, wenn man nicht in der Lage ist, die Situation zu überschauen – ich werde abwarten.«
    Der Blick, den Ballantyne ihm sandte, war schwer zu deuten. Unglaube und Fassungslosigkeit lagen darin, gepaart mit Furcht und Resignation. »Abwarten«, echote er nur. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
    »Ich hoffe es ebenso, alter Freund.«
    Sir Walter wandte sich zum Gehen. Balantyne begleitete ihn persönlich hinab und ließ ihm von seinem Diener Stock, Hut und Mantel bringen. »Der Schneefall hat noch zugenommen«, stellte er mit einem Blick durch das Türfenster fest. »Soll mein Kutscher dich nicht doch nach Hause bringen?«
    »Nein, danke«, erwiderte Sir Walter, »ein kleiner Spaziergang wird mir guttun. Gute Nacht, alter Freund.«
    »Gute Nacht, Walter.«
    Sir Walter nickte dem Diener zu, der die Tür öffnete. Eisig kalter Nachtwind fegte herein, Schneeflocken stoben in den Hausgang. Sir Walter schlug den Kragen seines Mantels hoch und wollte schon hinaustreten, als Ballantyne ihn am Arm fasste.
    »Walter?«
    »Ja?«
    »Ich habe Angst«, sagte Ballantyne leise.
    Sir Walter zögerte einen Augenblick. »Ich weiß«, versicherte er dann. »Aber du machst dir wie immer zu viele Sorgen. Das ist schon immer so gewesen, mein guter Aldiborontiphoscophoría.«
    Die Erwähnung des zungenbrecherischen Namens nötigte Ballantyne ein Lächeln ab. »So hast du mich früher stets genannt. Nach einem Buch Henry Careys, dessen Namen ich nach wie vor unaussprechlich finde.«
    »Chrononhotonthólogos.« Ein jungenhaftes Grinsen spielte um Sir Walters Züge. »Alles wird gut, James. Vertrau mir.«
    »Wenn du es sagst.« Ballantyne war offenkundig nicht überzeugt, aber er schwieg. Um des Friedens und ihrer Freundschaft willen.
    Damit wandte Sir Walter sich um und ging hinaus in die Nacht und in das dichte Schneetreiben. Er hörte, wie der Diener die Tür hinter ihm schloss, durchquerte den kleinen Garten und trat hinaus auf den Bürgersteig, auf dem der Schnee bereits knöchelhoch lag. Einen kurzen Augenblick lang

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