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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Deutscher Nation zu werden und auch seine restlichen Kronen zu beerben, stimmte ihm in allem eifrig zu. Ein paar Tagereisen weit würde er seinen Schwiegervater begleiten und dann die Verteidigung seiner eigenen Lande gegen die Hussiten organisieren. Um seinetwillen sollten die Taboriten ruhig in Bayern, der Oberen Pfalz und in Sachsen hausen, denn nur auf diese Weise würden die Wittelsbacher und Wettiner begreifen, dass sie ohne Schutz und Schirm des Kaisers Schafe waren, die vom Wolf bedroht wurden.
    Früher als üblich hob Sigismund diesmal die Tafel auf und empfahl den versammelten Herren und ihren Damen, das Brautpaar ins Schlafgemach zu geleiten. Lachen und anzügliche Bemerkungen klangen auf und einer der Ritter boxte den Bräutigam in dieRippen. »Na, Adler, kannst du dein Werk noch vollbringen oder soll ich es für dich tun?«
    »Hüte dich, so etwas noch einmal zu sagen!« Die Ehefrau des Ritters hatte seine Worte gehört und drohte ihm mit erhobenem Zeigefinger. Doch genau wie die anderen nahm sie die Bemerkung nur als Auftakt, mit anderen Frauen das Brautpaar unter Lachen und Scherzen zu trennen. Wie es Sitte war, nahmen die Damen Schwanhild in ihre Mitte und führten sie hinaus, während den Männern ein weiteres Mal eingeschenkt wurde. Diese würden nach einer angemessenen Zeit den Frauen folgen und den Bräutigam zu seiner Braut bringen.
    Zu den männlichen Gästen zählten auch Heinrich von Hettenheim und Heribert von Seibelstorff, die sich sowohl beim Trinken als auch bei den immer eindeutiger werdenden Anzüglichkeiten zurückhielten.
    »Ich glaube nicht, dass dieses Weib unserem Freund Michel zum Guten ausschlägt«, prophezeite der Seibelstorffer düster.
    »Vielleicht doch. Sie ist schön genug, ihn über den Verlust Maries hinwegzutrösten«, gab Ritter Heinrich hoffnungsvoll zurück.
    Heribald von Seibelstorff schüttelte energisch den Kopf. »Wenn er Marie vergisst, ist er nicht der Mann, der ihrer wert gewesen wäre.«
    »Ihr Andenken soll er ja in Ehren halten. Doch es gilt auch, die Zukunft zu gestalten. Ein paar weitere Kinder wären gewiss kein Schaden für sein reiches Lehen, und Schwanhild sieht aus, als könne sie Michel dazu verhelfen.«
    »Das bezweifle ich, denn ich habe nichts Gutes über sie gehört!« Heribert hatte sich entschlossen, die junge Frau abzulehnen, und nichts von dem, was sein Freund sagte, konnte ihn umstimmen.
    Schließlich zupfte Ritter Heinrich ihn am Ärmel. »Komm jetzt, es wird Zeit, Michel nach oben zu geleiten. Mach aber einfreundlicheres Gesicht. Du siehst ja aus, als wollest du an seinem Grabe beten.«
    Auch die übrigen Gäste versammelten sich, um Michel ins Brautgemach zu führen, das in den wiedererrichteten Teilen der Burg vorbereitet worden war. Ritter Heinrich und Heribert schlossen sich der Gruppe an, enthielten sich aber aller Scherze, sondern hingen ihren eigenen Gedanken nach. Beide wünschten ihrem Freund nur das Beste, doch selbst Heinrich von Hettenheim konnte nicht verhindern, dass es ihn bei der Erinnerung an die abweisende Miene fröstelte, die Schwanhild bei der Trauung und auch bei Tisch gezeigt hatte.
    Michel verschwendete in diesem Augenblick keinen Gedanken an seine Braut, denn die frische Luft traf ihn wie ein Keulenhieb, und als er die Silhouette der Burg vor sich aufragen sah, schwankten der runde Sinwellturm und der wuchtige Heidenturm vor seinen Augen, als wollten sie miteinander tanzen. Das machte ihm bewusst, wie stark er dem Wein zugesprochen hatte, und er versuchte, gegen den Rausch anzukämpfen. Doch in seinem Kopf vermengten sich Vergangenheit und Gegenwart zu einem wirren Bilderreigen. Schon einmal hatte der Kaiser ihm eine Ehe gestiftet, mit Marie, der rehabilitierten Wanderhure, und dabei war er zum geachteten Burghauptmann und Stadtvogt aufgestiegen.
    Nun war es ganz anders. Nicht seine Marie würde im Brautbett auf ihn warten, sondern eine Fremde, von der er nicht mehr als den Namen wusste. Er stellte sich vor, wie es sein würde, mit ihr unter einem Laken zu liegen, und spürte wider Erwarten eine gewisse Erregung, die ihn schneller ausschreiten ließ.
    Unterdessen hatten die Frauen das Brautgemach erreicht. Eine der älteren Damen wandte sich mit tadelnder Miene an Schwanhild. »Du hättest dem Wein etwas weniger zusprechen sollen, mein Kind. Es wäre ein böses Omen, wenn er dich überwältigt und dich einschlafen lässt, bevor dein Gemahl dich umarmen kann!«
    Eine jüngere Frau lachte schallend auf. »Ich finde

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