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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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willkommen, mein Kind!« Sigismund streckte Schwanhild die Hand zum Kuss hin.
    Die junge Frau knickste und drückte ihre Lippen auf das feinerote Leder, das so dünn war wie Stoff. Dabei stellte sie sich das Gesicht des Kaisers vor, wenn sie ihm stattdessen in die Finger beißen würde. Fast war sie gewillt, es zu versuchen. Doch da entzog er ihr die Hand und hob sie zum Zeichen, dass die Vermählung beginnen könne.
    Schwanhild ließ ihren Blick über die übrigen Anwesenden schweifen, fand aber kein ihr bekanntes Gesicht darunter, sondern musste die Gäste anhand ihrer Wappen einordnen. Von den großen Herren des Reiches war keiner anwesend, nicht einmal der Nürnberger Burggraf Friedrich von Hohenzollern. Dem Vernehmen nach weilte dieser in Brandenburg, um das Land vor den immer noch wie Heuschrecken schweifenden Hussiten zu beschützen und um die Huldigung einiger bislang recht renitenter Ritter und Städte entgegenzunehmen.
    Albrecht von Österreich, der Schwiegersohn des Kaisers, hatte als einziger Reichsfürst den Weg nach Nürnberg auf sich genommen. Als Sigismunds designierter Nachfolger stand es in seinem Interesse, mit den Ungarn und Böhmen zu sprechen, die den Kaiser begleiteten, um sich deren Treue zu sichern.
    Schwanhild, die sich um ihrer edlen Herkunft willen mehr für die Belange des Römischen Reiches Deutscher Nation interessiert hatte, als ein weibliches Wesen ihres Standes es sonst tat, schenkte dem Habsburger ein freundliches Lächeln. Sollte Albrecht dereinst Kaiser werden, wollte sie alles versuchen, um dem Sohn, den sie gewiss gebären würde, den ihm gebührenden Rang zu verschaffen. Erst ganz zuletzt wandte sie sich der Person zu, mit der ihr weiteres Leben verbunden sein würde. Michel Adler war ein mittelgroßer Mann mit breiten Schultern und ohne den Bauch, den Ritter seines Alters oft aufwiesen. Sein breites, kantiges Gesicht wirkte beinahe grimmig, und sie stellte verärgert fest, dass er über sie hinwegsah, als sei sie Luft. Auch wenn sie sich mit Händen und Füßen gegen die Heirat mit ihm gesträubt hatte, so erbitterte diese Haltung sie. Dieser Brauknecht wusste die Ehre,die ihm mit ihrer Hand angetragen wurde, offensichtlich nicht zu schätzen.
    Der Kaiser winkte seinen Beichtvater zu sich heran. Dieser bat Michel und Schwanhild, vor ihn zu treten, und haspelte ein paar lateinische Worte herunter, die ihren Bund segnen sollten. Ein hastiges Amen beendete die für Schwanhild mehr als enttäuschende Zeremonie. Hinter ihr rieb Ritter Kunner sich freudestrahlend die Hände, denn Lauenstein hatte Wort gehalten und ihm das erhoffte Lehen verschafft. Damit konnte er die Mitgift seiner Tochter verschmerzen, die immerhin aus mehreren Flecken Land und zwei Burgen bestand, welche nun in den Besitz ihres Ehemanns übergehen würden.
    Schwanhild nahm seine Geste aus den Augenwinkeln wahr, drehte sich um und stellte fest, dass ihr Vater mit einem Mal wie ein Fremder auf sie wirkte. War dieser Mann mit seinem aufgeblähten Wanst, den Hängebacken und fast fingerdicken Tränensäcken wirklich einmal jener stattliche schlanke Jüngling gewesen, für den ihre Mutter all jene zu ihrer hohen Herkunft passenden Freier aufgegeben hatte? Was für ein Glück für Mama, dachte Schwanhild, dass sie so früh verstorben ist, denn die Ehe mit diesem plumpen Menschen wäre gewiss eine große Enttäuschung für sie geworden. Seine zweite Ehefrau war die Tochter eines Nachbarn und passte in ihrer reizlosen Fülle weitaus besser zu ihm.
    Allerdings konnten ihr Vater und ihre Stiefmutter auf mindestens acht Ahnen aus edlem Blut zurückblicken, während dem Adel ihres Ehemanns noch der Geruch der Bierhefe anhaftete. Sie würde den Atem anhalten müssen, wenn er in der Nacht zu ihr kam, und hoffen, dass er sein Werk so rasch tat wie der Bulle, der zur Kuh geführt wurde.
    Noch aber war es nicht so weit, denn der Kaiser erlaubte nun den Nürnberger Ratsherren, ihn und die übrigen Hochzeitsgäste zu bewirten. Das Essen, das die Honoratioren der Stadt auffahrenließen, vermochte selbst den anspruchsvollsten Gaumen zu entzücken, und Schwanhild, die neben Michel gesetzt worden war, spürte, wie ihr nach dem mehrtägigen Fasten das Wasser im Mund zusammenlief. Man schenkte Ungarwein aus, der wie Feuer durch die Glieder rann, und der Durst brachte Schwanhild dazu, mehr zu trinken, als sie es sonst tat. Schon bald fühlte sie einen leichten Schwindel und ertappte sich dabei, schallend über eine schlüpfrige Bemerkung

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