Das Vermächtnis der Wanderhure
möglich zu Anastasia zurück.
Huldas sechs Töchter blieben bei Ritter Heinrich, der versprochen hatte, sie ihrem Rang gemäß zu erziehen und später mit einer kleinen Mitgift auszustatten. Marie machte ihm klar, dass er auf die siebte Tochter würde verzichten müssen, denn sie war nicht bereit, Lisa herzugeben. Michel akzeptierte ihre Haltung mit einem nachsichtigen Lächeln, blieb allerdings hart, als sie vorschlug, auf der Rückreise einen Abstecher zu Hiltrud nach Rheinsobern zu machen.
»Im Winter reist es sich nicht gut, und ich will keinen so langen Umweg in Kauf nehmen. Im neuen Jahr werden wir beide Hiltrud und Thomas und deine Rheinsoberner Verwandtschaft aufsuchen.«
Marie funkelte ihren Mann rebellisch an. »Hiltrud muss erfahren, dass ich wieder aufgetaucht bin! Sie vergeht sonst vor Sorgen um mich.«
Der Blick, den Michel mit Michi wechselte, verriet Marie, dass ihre Freundin nicht über ihr Verschwinden informiert wordenwar, und auf ihr Nachbohren bestätigten die beiden ihre Vermutung, wobei sie nicht besonders schuldbewusst wirkten.
»Es war besser so! Mutter hätte es wohl kaum verkraftet, wenn du auf der Rückreise von ihr ums Leben gekommen wärst.« Mit diesem Hinweis gelang es Michi schließlich, Marie zu besänftigen. Als Michel ihr erklärte, dass es für den kleinen Falko besser wäre, so rasch wie möglich nach Nürnberg zu kommen, stimmte Marie seinen Reiseplänen schließlich zu.
Ihr Weg führte sie aus dem verschneiten Pfälzer Wald in die Rheinebene und weiter bis Heidelberg. Da der Pfalzgraf inzwischen wieder in seiner Residenzstadt weilte, empfing er die Gruppe und zeigte sich gnädig. Das rasche Ende der Fehde stellte auch ihn zufrieden, denn er hatte weder sein Gesicht verloren, noch würde dieser Konflikt länger Unruhe unter seinen Gefolgsleuten schüren. Auch er hatte schnell gehandelt, denn Rumold von Lauensteins Kopf war noch in Nürnberg gefallen, und Ludwig von Wittelsbach schmiedete bereits Pläne, was er mit dessen beschlagnahmten Besitzungen anfangen sollte. Einen Teil musste er dem nächsten Erben überlassen, doch der Rest würde erst einmal seine kurpfälzischen Kassen füllen.
Angesichts dieser Entwicklung zeigte Herr Ludwig sich großzügig und übereignete Michel und Marie eine Burg aus dem früheren lauensteinischen Besitz. Sie hieß Kessnach und lag abseits wichtiger Handelsstraßen im Odenwald. Damit war sie, wie der Pfalzgraf erklärte, nicht weiter als ein paar kräftige Tagesritte von Kibitzstein entfernt.
Michel wusste nicht so recht, wie er sich zu diesem Geschenk stellen sollte, bedankte sich aber artig bei Herrn Ludwig und war ebenso froh wie Marie, als sie nach einigen Tagen weiterreisen konnten. Da der Pfalzgraf Andrej ein Lehen versprochen hatte, musste dieser vorerst in Heidelberg bleiben und bat Michel, Anastasia und ihre Kinder für kurze Zeit aufzunehmen. Dieser hatte sich entschlossen, nicht bis Nürnberg zurückzureiten, undsandte Michi und Gereon mit einer kleinen Begleitmannschaft aus, die in der Pegnitzstadt wartende Gruppe abzuholen.
Obwohl Marie es sich nicht eingestehen wollte, war sie froh, nicht weiter herumreisen zu müssen. Die harte Zeit in der Fremde und die Aufregungen der letzten Monate forderten ihren Tribut. Sie fühlte sich erschöpft und ausgebrannt und wollte nur noch schlafen. Das hatte zur Folge, dass Michel oder Anni sie morgens mehrmals wecken und drängen mussten, damit sie aufstand.
Die weitere Reise führte sie zunächst neckaraufwärts bis Eberbach und von dort über Mudau, Walldürn und Hardheim bis Tauberbischofsheim. Ihr nächstes Ziel war Würzburg, denn Michel wollte um eine Audienz bei Fürstbischof Johann II. von Brunn ansuchen. Bevor er nach Kibitzstein zurückkehrte, musste die Angelegenheit mit seinen beiden Ehen geregelt sein. Am Hof des Fürstbischofs konnte er von der Tatsache profitieren, dass er sich bei der Schlichtung der Fehde seines Nachbarn Ingomar von Dieboldsheim mit einem der Dienstmannen des Bischofs einen guten Ruf erworben hatte, denn Johann von Brunn ließ ihn nicht lange warten. Zu Maries Leidwesen verriet Michel ihr mit keinem Wort, wie das Gespräch mit Seiner Eminenz verlaufen war. Er zwinkerte jedoch Anni zu und trug den kleinen Falko so stolz auf seinem Arm, als hätte er eine Grafschaft für ihn gewonnen.
Während Michel nun so gelassen und selbstsicher wirkte wie seit Maries Verschwinden nicht mehr, fühlte diese sich mit jedem Schritt der Zugtiere, der sie Kibitzstein
Weitere Kostenlose Bücher