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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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das Tor des Wohnturms geöffnet hatte, war Beate. Sie hatte Huldas Töchter aus dem Kellerloch befreit und eine von ihnen den Feinden entgegengeschickt, in der Hoffnung, diese würden einem Kind Schonung gewähren. Ebenso wie die wenigen Frauen, die sich außer ihr noch in der Burg befanden, war sie froh, dass der Schrecken vorüber war.
    Marie ließ Michel in die beste Kammer schaffen und befahl Beate, ihr alle Arzneien und Salben zu bringen, die es auf der Otternburg gab. Es mussten Verwundete versorgt werden, doch um Michel wollte sie sich selbst kümmern. Sie setzte ihren Sohn ab und sah verärgert, dass der Junge in Beates Armen Schutz suchte.
    »Komm her!«, forderte sie die Magd auf.
    Diese gehorchte ihr zitternd, half aber tatkräftig mit, Michel aus seiner Rüstung zu schälen und seine Verletzungen zu behandeln. Die meisten seiner Wunden waren eher harmlos, doch seine rechte Wange sah schlimm aus. Fast daumenlang und zwei Finger breit hatte sich die Glut in Haut und Fleisch gebrannt. Marie musste kleine Holzstückchen aus der Wunde holen und verkohltes Gewebe entfernen. Dann wusch sie die Verletzung mit einem Sud aus Eichenrinde aus. Beate brachte ihr einen Kohlkopf aus dem Vorratskeller, entfernte die äußeren Blätter und säuberte eines der inneren Blätter mit Wasser, das sie am Kamin erwärmt hatte.
    Marie nahm es mit einem zufriedenen Nicken entgegen. »Du verstehst etwas von der Kunst zu heilen. Ich glaube, ich kenne dich. Warst du nicht damals bei der Geburt meines Kindes dabei?«
    Beate duckte sich unwillkürlich, nickte aber. »Ja, Herrin. Ich dachte nicht, dass Ihr mich wieder erkennen würdet, denn Ihr seid damals kaum bei Euch gewesen.«
    »Ich erinnere mich an mehr, als du denkst, auch daran, dass ichohne deine Hilfe wahrscheinlich wie ein Tier krepiert wäre. Von Huldas Ältester habe ich erfahren, dass du dich meines Sohnes angenommen hast. Nimm meinen Dank dafür.«
    In ihrer Stimme schwang ein wenig Neid, denn der Junge klammerte sich an Beate, als hinge sein Leben von ihr ab, und weinte, wenn Marie die Hand nach ihm ausstreckte. Schließlich riss ihr der Geduldsfaden, und sie schickte ihn zu Huldas Töchtern, die sich im Nebenraum aneinander drängten. Die älteren Mädchen hatten den Knaben gehasst, weil er viel mehr gegolten hatte als sie. Jetzt aber umsorgten sie ihn wie Glucken, denn sie wussten, dass der Weg zu Maries Herz über deren Sohn führte.
    Als Marie das Kohlblatt auf Michels Wunde vorsichtig mit Leinenstreifen befestigte, wachte dieser aus seiner Bewusstlosigkeit auf. »Habe ich den Jungen herausgebracht?«
    Marie beugte sich über ihn und küsste ihn auf die unverletzte Wange. »Das hast du, mein Lieber! Bringt ihn her, Mädchen, damit sein Vater ihn sehen kann.«
    Huldas Älteste folgte der Aufforderung und setzte sich mit dem Knaben auf dem Schoß neben Michels Bett. »Er heißt Falko, genau wie mein Vater«, sagte sie, begriff aber dann, was sie gesagt hatte, und sah Marie erschrocken an.
    »Der Name dürfte Euch nicht gefallen.«
    Marie verzog den Mund, als hätte sie in etwas Ekliges gebissen. »Natürlich passt er mir nicht, doch da mein Sohn ihn bei der heiligen Taufe erhalten hat, werden wir ihn so nennen müssen.«
    Michel fasste nach ihrer Hand. »Wir können den hohen Bischof von Würzburg bitten, uns zu erlauben, den Jungen noch einmal taufen zu lassen.«
    Marie schüttelte den Kopf. »Warum? Es ist nur ein Name! Wir werden uns an ihn gewöhnen.«
    »Das werden wir bestimmt!« Michel versuchte zu lächeln, sank aber mit einem Wehlaut nieder. Seine Hand fuhr zu seinem Kopf, doch Marie hielt sie früh genug fest.
    »Nicht, mein Lieber! Du darfst die Wunde nicht berühren.«
    Michel stöhnte, als eine Schmerzwelle von seiner Wange ausgehend bis in die Fußspitzen lief. »Mich hat ein Stück glühendes Holz getroffen und mein Gesicht verbrannt. Mein Gott, wie muss ich aussehen!« Der Gedanke, entstellt zu sein, schien ihn härter zu treffen als die Schmerzen.
    Marie beugte sich über ihn. »Es wird eine Narbe zurückbleiben. Aber ganz gleich, wie du einmal aussehen wirst: Für mich wird dein Gesicht immer das liebste der Welt bleiben. Du bist durchs Feuer gegangen, um unseren Sohn zu retten!«
    Noch einmal küsste sie Michel und legte ihm den Jungen in die Arme. Der kleine Falko verstand nicht, was um ihn herum geschah, doch der fremde Mann schien ihm Sicherheit zu versprechen, und so kuschelte er sich eng an ihn.
    Marie lächelte auf die beiden hinab. »Siehst

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