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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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seinem
Rock zog und auf den Tisch zählte. Diesmal sahen die beiden Männer in ihrer
Nähe auf und musterten sie beide. Enrico versuchte, sich so unauffällig wie
möglich zu verhalten, doch schien das Interesse der Fischer geweckt zu sein.
Sie ließen ihn und das Narbengesicht nicht mehr aus den Augen.
    „Kommt. Wir verlassen den Ort. Ihr
könnt mir auf dem Weg zu Minniti davon erzählen.“ Er schob dem Narbengesicht
das Geld hin und stand auf. Als er zu den beiden Fischern hinübersah, glaubte
er, zumindest einen davon zu erkennen, aber der hob gerade seinen Becher vors
Gesicht und genehmigte sich einen kräftigen Schluck.
    Rasch erhob sich Enrico und trat
auf die Straße hinaus. Wenig später erschien das Narbengesicht und blinzelte in
die Morgensonne.
    „Erzählt. Eure Bezahlung habt Ihr
erhalten!“
    „Ihr seid seinetwegen hier! Habe
ich recht?“
    Von der Seite betrachtete Enrico
den Fremden, der sich für ihn selbst als Goldgrube erwiesen hatte, ohne dass
dieser es bemerkt hätte. Die Sonne warf erste Schatten in die Gassen hinunter,
und der Wind von Land her hatte noch nicht gedreht.
    „Seinetwegen? Ihr sprecht in
Rätseln. Ich hoffe, Ihr könnt mich zielstrebiger zu Mario Minniti bringen.“
    „Natürlich, Signore.“
    Eine ganze Weile liefen sie stumm
nebeneinander her. Langsam erwachte die Stadt zu morgendlicher Geschäftigkeit.
Erste Fischerboote liefen ein, vom Hafen herauf schallten die Schreie der
Verkäufer, die ihren frischen Fang anboten. Frauenstimmen übertönten das
Geschrei der Säuglinge, die an die Mutterbrust wollten oder gewaschen wurden.
Wie ein kräftiger Herzschlag setzte das Leben ein, pulsten Stimmen und
Geräusche auf.
    „Caravaggio! Er hat das Bild
gemalt!“
    Selbst Enrico schlug das Herz
plötzlich bis in den Hals. Was hatte das Narbengesicht gesagt? Neben dem Namen?
Er hat das Bild gemalt. Was musste es für ein Bild sein, wenn dieser nicht
sonderlich gebildete Mensch es „das Bild“ nannte? Michele hatte offensichtlich
wieder ein Meisterwerk geschaffen, das tief in der Volksseele wurzelte. „Das
Bild“ hieß es lapidar. Welch ein grandioser Sieg.
    „Wenn ich seinetwegen hier wäre?
Was habt Ihr mir noch zu sagen?“
    „Ein zweiter Priester schleicht ihm
nach und belästigt ihn.“
    Enrico wurde ungeduldig. Es würde Stunden
dauern, bis er wusste, wen das Narbengesicht meinte.
    „Er sieht ihm entfernt ähnlich. Man
könnte denken, sie seien Geschwister.“
    Diese Enthüllung traf ihn wie ein
Schlag. Pater Leonardus in Syrakus? Warum wusste er nichts davon? Was hatte das
zu bedeuten? Reiste Pater Leonardus mit demselben Auftrag wie er, nämlich
Bilder einzukaufen?
    Jetzt zog es ihn plötzlich zu
Nerina und Michele.
    „Führt mich auf dem kürzesten Weg
zu Mario Minniti. Ich muss Caravaggio sehen!“
    Das Narbengesicht blieb stehen und
sah sich um. Dreißig Schritte hinter ihnen folgten die Fischer.
    „Wir werden uns hier trennen.
Caravaggio hat die Stadt verlassen. Vor drei Tagen bereits.“
    „Warum?“
    „Keine Luft zum Atmen, keine Luft
zum Arbeiten, keine Luft zum Denken.“
    „Wohin ist er?“
    Mit einer unverschämten Geste hielt
das Narbengesicht die Hand auf und sah ihm in die Augen. Diese Gesichter kannte
er aus seiner Kindheit, mit diesen Gesichtern war er aufgewachsen, und er hätte
voraussagen können, was jetzt kam. Trotzdem griff er in seine Gürteltasche und
holte eine Münze hervor.
    Erst als er ihm eine Münze in die
Hand gedrückt hatte, meinte das Narbengesicht lachend: „Ich weiß es nicht!“ Es
verschwand zwischen den Gassen der Stadt im aufschäumenden Gewimmel der
Menschenleiber des Morgens.
    Enrico machte sich trotzdem auf den
Weg zu Mario Minniti. Dort würde er erfahren, was er wissen wollte. Sorgen
machte er sich nur um Micheles Verfolger. Was planten sie? Offenbar hatten sie
von Micheles Aufenthalt hier erfahren. Erhielten sie dieselben Informationen
aus Rom wie er? Möglicherweise aus denselben Quellen?
20.
    Messina empfing Michele feucht und dunstig.
Eingeschlossen zwischen zwei Bergrücken, hing der Wolkennebel schwer in der
Talsenke. Den Hafen konnte man riechen, aber nicht sehen. Nur die Zitadelle,
die eine spanische Garnison trug und auf der ein Wimpel des spanischen Königs
wehte, dräute durch den Schleier zu ihnen herab.
    Auf einem Esel ritten Nerina und
Michele auf das Stadttor zu, das eben mit einem hellen Ruf aufgestoßen wurde. Beladene
Karren und Bauern mit hohen Kraxen auf dem Rücken, mit denen sie Gemüse und
Obst

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