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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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stutzte. „Ja und nein?“
19.
    Enrico betrat Syrakus unerkannt vom
Land her. Seinen Verdacht, den er gegenüber Ferdinando Gonzaga geäußert hatte,
wollte er bestätigt wissen. Dass Michele sich auf der Wachtelinsel aufhielt,
zwitscherten ganze Heerscharen von Briefen, die zwischen Syrakus und Rom hin
und her schwirrten. Gesandte und Kaufleute, Kapitäne und Malteser brachten die
Nachrichten nach Rom. Michele male, male Gewaltiges, hieß es darin. Enrico
fühlte in sich ebenso mächtig eine Neugier auf die neuen Bilder wie eine
Sehnsucht nach Nerina, deren Stimmung in den Briefen an ihn sich immer
verzweifelter anhörte. Michele leide, hieß es darin, Michele sei umfangen von
einer Düsternis, die sich in der Stimmung seiner Bilder widerspiegle, Michele
werde noch immer verfolgt, eindeutig von seinen Fantasien und womöglich weiter
von seinen Peinigern.
    Beinahe atemlos hatte er von der
Flucht und ihren Umständen gelesen, von Micheles und Nerinas Ankunft, von ihrer
Zeit in der Nähe der Latomia del Paradiso, von Micheles neuem Gemälde und von
der Landung Fra Domenicos auf Sizilien. Trotzdem nährte sich in ihm der
Verdacht, einem Schauspiel beizuwohnen, dessen Handlung und Ende bekannt waren,
dessen Inszenierung jedoch die höchste Aufmerksamkeit aller Beteiligten
erforderte. Wie anders sollte er sich sonst erklären, dass es dem mächtigen
Johanniterorden nicht gelang, Micheles habhaft zu werden? Hier wurde Theater
gespielt! Zwar kannte er eine Reihe von Akteuren des Stücks, aber niemand
erklärte ihm, wer es inszenierte und wer es geschrieben hatte.
    Mario Minniti hieß der Freund
Micheles, den er nach ihrem letzten Schreiben hin aufsuchen, bei dem er ihn und
Nerina finden sollte. Damit aber seine Anwesenheit in Syrakus unbekannt blieb,
hatte er sich mit einem Boot außer Sichtweite der Wachtelinsel an Land setzen
lassen, war zu Fuß die Küste entlanggelaufen und hatte Syrakus über die Brücke
betreten, die Insel und Festland miteinander verband. Die Wache an der Brücke
hatte sich gewundert, aber der Passierschein des Senats, den Kardinal Gonzaga
von der Stadtregierung für ihn erbeten hatte, öffnete ihm den Zugang zur Insel.
Bevor er jedoch den Weg zu Minniti nahm, wollte er sich nach den Fremden in
Syrakus erkundigen.
    Seines Herren Wunsch, Bilder
aufzukaufen, mit dem er hierhergeschickt worden war, blieb eher ein Hirngespinst.
Wenn Michele tatsächlich derart bedrängt wurde, wie Nerina ihm geschrieben
hatte, dann gab es für Ferdinando Gonzaga keine Möglichkeit, neben einem der bestellten
Bilder ein Gemälde frei einzukaufen.
    Er schlenderte zum Hafen hinunter,
dem einzigen Ort, an dem er hoffte, zu dieser frühen Stunde die Hinweise zu
erhalten, die er brauchte.
    Die gewaltige Rauchfahne des Ätna wies
ihm aus der Ferne den Weg. Sie zog sich wie ein winkender Arm über das Meer
hin. Enrico nahm es als gutes Zeichen und ließ sich von diesem Orakel der Natur
in eine Osteria führen, die direkt darunter lag, als würde der ehrwürdige Berg
ihn auf die Schenke verweisen.
    Mit dem Gesicht zum Hafen hinaus
setzte er sich an die Mauer der Osteria, bestellte Wein, Brot und Käse, sah dem
Treiben auf den Molen zu und wartete einfach ab. Syrakus’ Größe lag längst
darnieder, die Stadt, deren Einwohnerzahl in der Antike die Athens weit
übertroffen hatte, deren Tyrann zu den grausamsten der Zeit gezählt worden war
und die als eine der reichsten griechischen Stadtgründungen gegolten hatte, war
in den Zeitläufen zu einem Fischerdorf herabgesunken, überschaubar und klein,
in dem jeder jeden kannte und Fremde sofort auffielen. Auf diesen Umstand baute
Enrico.
    Nur wenige Gäste bevölkerten den
Raum vor der Schenke. Bewusst unbeteiligt aß und trank Enrico und ließ wie
zufällig seinen Blick über die Männer wegschweifen, die ihrerseits neugierig zu
ihm herübersahen. Es dauerte nicht einmal einen halben Krug Wein, bis ein
kleiner, dunkelhäutiger Mann mit auffallender Narbe am rechten Auge an seinen
Tisch trat und sich setzte.
    „Ihr seid neu hier?“ Enrico sah dem
Mann ins Gesicht. Zu den Fischern, deren Augen und Gesichtsausdruck durch die
endlosen Tage auf See und den Blick an den Horizont müde geworden waren und
stumpf, gehörte der Kerl nicht. Rege Neugier las er aus den Falten um die
Augen, aus der gerunzelten Stirn und aus der Art, wie er ihn musterte. Auch
seine Kleidung, sein Aussehen, sein Degen sagten ihm, dass er es nicht mit
einem Fischer zu tun hatte. Demonstrativ schob Enrico ein

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