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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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schlüpfte sie hinein. Tatsächlich. Vor ihr lag, im Schlaf und mit Schweiß
auf der Stirn, Michele. Mit den Füßen stieß sie gegen einen Gegenstand auf dem
Boden: Holzschuhe. In dem Augenblick schlug Michele die Augen auf und fuhr
hoch. Für einen Augenblick hielt sie ihm die Hand vor den Mund, damit er nicht
aufschrie, bis sie bemerkte, dass er sie erkannt hatte. Sein Gesicht fühlte
sich nicht mehr ganz so heiß an. Möglicherweise hatte das Fieber nachgelassen.
    „Ich bin’s, Nerina. Komm!“, flüsterte
sie. Mühsam erhob sich Michele und wollte in die Holzschuhe steigen, die sich
vor seinem Bett befanden, aber Nerina schüttelte den Kopf. „Barfuß!“
    Bevor Nerina ihn an der Hand nehmen
und aus dem Verschlag ziehen konnte, hielt Michele sie zurück. Er deutete auf
eine schmale, metallene Kette, die von seinem Fußgelenk über eine Öffnung ins
nächste Zimmer lief.
    „Fra Domenicos Idee. Er vermutete
eine Flucht!“
    Fieberhaft überlegte Nerina, was zu
tun sei. Eine Kette konnte sie nicht aufbrechen, und der Splint, der das
Ringglied um den Fuß zusammenhielt, war mit dem Hammer festgeschlagen worden.
Außerdem mussten sie den Raum verlassen haben, bevor der Kapitän zurückkehrte
und dieser möglicherweise den Riegel wieder vorschob.
    „Wir haben keine Zeit!“, hauchte
sie wieder. „Wo endet sie?“
    „Im Raum nebenan, möglicherweise am
Handgelenk Fra Domenicos.“
    Nichts in Micheles Verschlag schien
ihr geeignet, die Kette zu lösen.
    „Ich muss in den Raum neben dir.
Wenn ich gegen die Wand schlage, musst du die Kette anziehen, mit aller Kraft!
Hast du verstanden?“
    Michele nickte. Sofort entfernte
sich Nerina und schlich einen Verschlag weiter. Die Tür zum letzten
Holzverschlag ließ sich leicht öffnen. Rasch schlüpfte sie in das Zimmer. Hier
wurde sie vom Geruch Fra Domenicos empfangen. Die Mischung aus Weihrauch und
Gewalt, die in der Luft lag, betäubte sie beinahe. Sie stand still und wartete,
bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Schließlich konnte sie
erkennen, dass in diesem Raum die Kette endete, allerdings nicht, wie sie
zuerst vermutet hatte, am Arm oder an der Hand des Johanniters. Sie war einfach
um einen Bettpfosten herum gehängt. Hätte Michele daran gezogen, wäre Fra
Domenico sicherlich erwacht.
    Nerina versuchte, weiter ins Zimmer
zu gehen, aber die Bohlen knarrten und Fra Domenico, der in voller Kleidung mit
Degen im Bett schlief, drehte sich unruhig hin und her, als würde er ihre
Gegenwart fühlen. Einmal als Dieb und Einbrecher zu arbeiten, hätte sich Nerina
auch nicht träumen lassen, aber in diesem Fall blieb ihr nichts weiter übrig.
Trotz der Gefahr, entdeckt zu werden, schlich sie langsam vorwärts. Ebenso
vorsichtig, als stünde ihr alle Zeit der Welt zur Verfügung, hob sie den Ring
vom Pfosten und ließ Kettenglied für Kettenglied durch die Öffnung gleiten.
Zuletzt warf sie den Ring hinterher. Ein helles Klirren klang von Gegenüber und
Fra Domenico drehte sich wieder einmal im Bett um. Vorsichtig duckte sich
Nerina. Wenn er auch nicht aufwachte, so wäre es denkbar gewesen, dass er ihren
Schatten unbewusst wahrgenommen hätte. Ebenso vorsichtig schlich sie zurück,
bis sie an der Tür stand. Sie öffnete die Tür und stand mit drei schnellen
Schritten draußen. Jetzt erst fühlte sie, dass ihre Kleidung vollständig durchgeschwitzt
war.
    Aufmerksam lauschte sie in den
immer heller aufkeimenden Tag hinein, aber nichts rührte sich mehr. Das
bedeutete, dass Enrico bereits wieder vom Schiff gegangen war. Folglich musste
sie darauf achten, wo die Wachen standen, und ihnen möglicherweise ausweichen.
Geduckt schlich sie sich zu Micheles Verschlag zurück und öffnete ihn. Sie wollte
eben hineinschlüpfen, als sie von hinten angesprochen wurde. Gleichzeitig
fühlte sie die Spitze eines Degens im Rücken.
    „Und was wollt Ihr bei Caravaggio,
Fischer?“
    Langsam richtete Nerina sich auf
und drehte sich um. Vor ihr stand der Mann, von dem sie glaubte, dass er der
Kapitän des Schiffes sei.
    „Ich besuche einen Freund!“
    „Oh, Ihr meint Caravaggio?
Natürlich, tretet nur ein.“
    Mit der Spitze seines Degens trieb
er sie vorwärts in den Raum hinein. Nerina wusste, was er vorhatte, nämlich die
Tür zuzuschlagen, nachdem sie die Schwelle überschritten hätte, aber im selben
Augenblick fuhr eine zweite Klinge aus dem Schwarz der Türöffnung heraus und dem
Kapitän in die Brust. Ein gezielter und tödlicher Stoß. Ungläubig starrte

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